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03 - Tod im Skriptorium

03 - Tod im Skriptorium

Titel: 03 - Tod im Skriptorium
Autoren: Peter Tremayne
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Wehrgangs auf der hohen Mauer der Abtei; sie schauten auf die Bucht hinaus. Der kleine Meeresarm lag jetzt still und verlassen da, abgesehen von ein paar Küstenseglern und Fischerbooten. Die vielen Schiffe, die den Großkönig und seine Hofleute, den Erzbischof von Armagh und Fianamail von Laigin und seine Gefolgsmänner hergebracht hatten, waren alle wieder abgesegelt. Selbst das bedrohliche Kriegsschiff Mugróns, das ein fester Bestandteil der Szenerie der Bucht geworden zu sein schien, hatte die Anker gelichtet und war der Flotte Laigins gefolgt, als sie die Küste von Muman verließ. Geblieben war ein ruhiger, beschaulicher Anblick.
    »Wirklich, Fidelma«, sagte Colgú aufgeräumt, »du hast bewiesen, daß dein Ruf wohlbegründet ist.«
    Fidelma zuckte gleichmütig die Achseln.
    »Es gibt keinen Grund zur Selbstzufriedenheit«, erwiderte sie. »Wäre ich es nicht gewesen, der diese bösen Menschen zu Fall bringen half, dann hätte es jemand anders getan. Sagt nicht schon Euripides, daß böse Menschen durch ihr eigenes Wesen daran gehindert werden, Erfolg zu haben?«
    »Ich glaube, du denkst da mehr an Salbach als an den jungen Nechtan, nicht wahr?« meinte Colgú ernst. »Wenn du Salbach nicht überführt hättest, dann hätten wahrscheinlich noch viele Menschen ihr Leben verloren, bevor wir ihm auf die Schliche gekommen wären. Wenigstens können sich die Corco Loígde jetzt einen neuen Fürsten wählen, und zwar einen, wie ich hoffe, der mehr Ehre und Menschlichkeit besitzt. Und Osraige wird wohl auch zufrieden sein, wenn es sich seine alten Herrscher wieder erwählen kann. Ich für mein Teil bin der Ansicht, daß Scandlán ebensoviel Schande trifft wie Salbach.«
    »Ja, es ist gut so«, pflichtete ihm Fidelma bei. »Ich kann es zwar nicht beweisen, aber ich glaube, daß Scandlán von Osraige auch an der Verschwörung beteiligt war, alle Gegner seiner Dynastie zu vernichten. Was den jungen Nechtan angeht, wenn er mich als seine Anwältin haben will, dann werde ich ihn verteidigen«, sagte Fidelma noch einmal. »Er war ein Gefangener der Umstände und lebte in großer Furcht.«
    »Aber seine Hand führte das Messer, das in Dacáns Brust stach«, wandte Colgú ein.
    »Die Angst leitete ihn und verlieh ihm die Kraft. In allen Dingen gibt es Abstufungen der Schuld.«
    »Nun, das Gespenst des Krieges hat sich verzogen, und das verdanken wir dir, Fidelma.«
    »Für diesmal jedenfalls.« Fidelma lächelte spöttisch. »Mein Mentor, der Brehon Morann von Tara, sagte immer, daß dem Menschen auf seinem Wege durch die Geschichte Wälder vorangingen und Wüsten und Einöden folgten.«
    »Der war kein Optimist«, erwiderte Colgú.
    »Wenn du die Menschen aus der Distanz betrachtest, wirst du an ihnen zwangsläufig nicht viel Lobenswertes finden«, meinte Fidelma. »Die Kunst und die Philosophie sind nicht dem Wesen des Menschen entsprungen, sie entstehen trotz des menschlichen Wesens.«
    Der Klang der Vesperglocke ließ sie gleichzeitig zum Glockenturm der Abtei aufblicken. Colgú lächelte seine Schwester an und legte ihr brüderlich den Arm um die Schulter.
    »Komm, gehen wir hinein zum Essen. Trübsal blasen können wir später. Es steht dir nicht gut, so pessimistisch zu sein, meine kleine Schwester.«
    »Nun, was wäre, wenn wir so täten, als wäre alles gut, während es uns doch so elend geht. Nein«, wehrte sie mit erhobener Hand den ärgerlichen Protest ihres Bruders ab. »Ich bin schon still. Gehen wir essen. Bereits Euripides sagte, wenn der Magen voll ist, dann hört die Streitlust auf.«
    Arm in Arm schritten die Geschwister dem Refektorium der Abtei entgegen.
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