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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen
Autoren: Elizabeth George
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die zuständige Polizeidienststelle eingeschaltet werden mußte.
    »Was genau ist denn eigentlich geschehen?« fragte er.
    Sergeant Havers griff bei der Frage ihres Vorgesetzten automatisch nach einem Spiralblock auf Lynleys Schreibtisch und begann auf gewohnt kompetente Weise Fragen und Antworten zu notieren. Sie kniff die Augen zusammen, als ihr der Rauch ihrer Zigarette ins Gesicht stieg, hustete, drückte die Zigarette an der Schuhsohle aus und warf sie in den Papierkorb.
    »Der Junge - Matthew Whateley - hatte für dieses Wochenende einen Urlaubsschein. Er wollte mit einem anderen Schüler, Harry Morant, zu dessen Eltern fahren. Morants Familie hat in Lower Slaughter ein Landhaus, und dort sollte Harrys Geburtstag gefeiert werden. Fünf von unseren Schülern waren eingeladen. Sie hatten alle die Erlaubnis der Eltern.«
    »Wer sind die Morants?«
    »Erstklassige Familie«, antwortete Corntel. »Die drei älteren Söhne waren auch schon in Bredgar Chambers. Eine Tochter ist jetzt bei uns in der Oberstufe. Für die zwei letzten Jahre nehmen wir auch Mädchen auf«, fügte er überflüssigerweise hinzu. »In der Oberstufe. Meiner Ansicht nach bekam Matthew deswegen kalte Füße. Ich meine, wegen der Familie - den Morants -, nicht weil wir Mädchen aufnehmen.«
    »Das verstehe ich nicht. Was hat die Familie damit zu tun?«
    Corntel warf einen Blick des Unbehagens auf Sergeant Havers. Dieser kurze, nervöse Blick verriet Lynley, was als nächstes kommen würde. Corntel hatte an Havers' ausgeprägtem Akzent gehört, daß sie aus der Arbeiterklasse stammte. Wenn die Morants als Kern des Problems bezeichnet wurden und, wie Corntel gesagt hatte, eine erstklassige Familie waren, dann konnte das nur heißen, daß Matthew genau wie Havers aus einer ganz anderen Klasse kam.
    »Ich glaube, Matthew bekam kalte Füße«, wiederholte Corntel. »Er ist ein Kleinstadtkind und ist jetzt das erste Jahr auf einer Privatschule. Bisher hat er nur öffentliche Schulen besucht. Er hat immer zu Hause gelebt. Jetzt kommt er mit ganz anderen Leuten zusammen - so etwas braucht Zeit. Die Umstellung ist nicht einfach.« Er streckte wie um Verständnis bittend die geöffnete Hand aus. »Du weißt, was ich meine.«
    Lynley sah, wie Havers den Kopf hob, wie ihre Augen sich verengten bei dem, was unausgesprochen hinter Corntels Worten stand. Er wußte, daß sie ihre Herkunft aus dem Arbeitermilieu immer wie ein Schild vor sich hergetragen hatte.
    »Und als Matthew am Freitag nicht mitkam?« fragte er.
    »Die Jungen hatten sich doch sicherlich irgendwo verabredet, um gemeinsam ins Wochenende zu fahren. Haben sie sich über sein Ausbleiben keine Gedanken gemacht? Haben sie es dir nicht gemeldet, als er nicht kam?«
    »Sie glaubten ja, sie wüßten, wo er ist. Wir hatten am Freitagnachmittag Sport, und danach wollten die Jungen losfahren. Sie sind alle im selben Hockeyteam. Matthew kam nicht zum Spiel, aber niemand dachte sich etwas dabei, weil der Sportlehrer der Sexta - Cowfrey Pitt, einer unserer Lehrer - einen Zettel von der Krankenstation bekommen hatte, der besagte, daß Matthew erkrankt sei und am Spiel nicht teilnehmen könne. Als die Jungen das hörten, nahmen sie automatisch an, er würde auch nicht mit ihnen ins Wochenende fahren. Das war durchaus logisch.«
    »Was war das für ein Zettel?«
    »Eine Befreiung. Ein Standardformular von der Krankenstation mit Matthews Namen darauf. Offen gestanden, mir sieht es danach aus, als hätte Matthew das alles im voraus inszeniert. Von zu Hause holte er sich die Erlaubnis, das Internat zu verlassen, um angeblich mit zu den Morants zu fahren. Gleichzeitig besorgte er sich eine Befreiung, der zu entnehmen war, daß er auf der Krankenstation lag. Aber da die Befreiung gefälscht war, bekam ich keine Kopie von der Krankenstation. Folglich mußte ich annehmen, Matthew sei mit den Jungen zu den Morants gefahren. Und die Morants andererseits mußten annehmen, er sei im Internat geblieben. Auf diese Weise wollte er sich offenbar ein freies Wochenende verschaffen, wo er tun und lassen konnte, was ihm beliebte. Und genau das hat er ja getan, der kleine Bengel.«
    »Du hast nicht nachgeprüft, wo er war?«
    Corntel beugte sich vor und drückte seine Zigarette aus. Seine Hand zitterte. Asche fiel auf Lynleys Schreibtisch. »Ich glaubte doch, ich wüßte, wo er war. Ich dachte, er sei bei den Morants.«
    »Und der Hockeylehrer - wie hieß er gleich? Cowfrey Pitt? -, informierte der dich nicht, daß der Junge auf
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