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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen
Autoren: Elizabeth George
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kräftig durch die kurzen Haare, daß sie hinterher wie die Borsten einer Bürste von ihrem Kopf abstanden. »Ach ja«, sagte sie, »die Schotten haben's gut.«
    Er unterdrückte ein Gähnen. »Die Schotten, Havers? Was um alles in der Welt -«
    »Na, die sitzen doch direkt an der Quelle. Wenn ich an das köstliche Aroma denke ...«
    Lynley streckte seine langen Glieder und bückte sich, um seine Papiere aufzusammeln. »Ach, so ist das gemeint«, sagte er. »Gehe ich recht in der Annahme, daß Sie heute Ihr gewohntes Quantum Alkohol noch nicht genossen haben, Sergeant?«
    Sie lachte. »Gehen wir doch rüber ins Kings Arms, Inspector. Sie dürfen mich einladen. Zwei vom MacAllan, und wir singen beide ein Loblied auf Malz und Gerste. Das werden Sie sich doch nicht entgehen lassen wollen. Ich hab eine verdammt gute Altstimme, mit soviel Seele, daß es Ihnen die Tränen in die schönen braunen Augen treibt.«
    Lynley polierte seine Brille, setzte sich auf und nahm sich ihre Arbeit vor. »Ich fühle mich hochgeehrt von Ihrer Einladung. Glauben Sie mir. Ihr Anerbieten, mir etwas vorzuträllern, rührt mich bis ins Herz, Havers. Aber es muß doch heute noch jemand hier sein, den Sie nicht so regelmäßig geschröpft haben wie mich. Wo ist Constable Nkata? Den habe ich heute nachmittag gar nicht im Haus gesehen.«
    »Er mußte weg. Zu einem Fall.«
    »Wie schade. Da haben Sie aber wirklich Pech. Ich habe Webberly nämlich diesen Bericht für morgen früh versprochen.«
    Barbara spürte einen Anflug von Erbitterung. Er war ihrer Einladung äußerst geschickt ausgewichen. Aber sie hatte andere Waffen.
    »Sie haben ihn Webberly zwar für morgen versprochen, Sir, aber wir wissen doch beide, daß er ihn frühestens nächste Woche braucht. Machen Sie endlich einen Punkt, Inspector. Finden Sie nicht, es wird langsam Zeit, daß Sie unter die Lebenden zurückkehren?«
    »Havers.« Lynley machte keine Bewegung. Er hob nicht einmal den Kopf von den Schriftstücken in seiner Hand. Sein Ton war Warnung genug. Er zog die Grenze, und er stellte klar, wer der Vorgesetzte war. Barbara hatte lange genug mit ihm zusammengearbeitet, um zu wissen, was es bedeutete, wenn er ihren Namen mit so ausgesuchter Distanz aussprach: Zutritt verboten. Ihre Einmischung war nicht erwünscht und würde nicht ohne Kampf zugelassen werden.
    Aber einen letzten Ausfall in die sorgsam gehüteten Regionen seines Privatlebens konnte sie sich nicht verkneifen.
    Mit dem Kopf wies sie auf die Ansichtskarte. »Viel Hoffnung macht Ihnen die gute Helen ja nicht, wie?«
    Mit einem Ruck hob er den Kopf. Er legte den Bericht weg. Aber das durchdringende Läuten des Telefons schnitt ihm die Antwort ab.
    Eines der Mädchen, die im unfreundlichen, mit schwarzgrauem Marmor ausgelegten Foyer von New Scotland Yard am Empfang arbeiteten, war am Telefon, als Lynley abhob. Unten warte ein Besucher, erklärte sie mit ihrer nasalen Stimme ohne Umschweife. Ein gewisser John Corntel, der nach Inspector Asherton gefragt habe. Das sind doch Sie, oder? Fürchterlich, diese Leute, die sich keinen Namen richtig merken können. Sie mit Ihren vielen Namen und Titeln, schlimmer als die Königin persönlich. Eine Zumutung ist das, und von uns hier unten am Empfang wird erwartet, daß wir sie alle kennen und gleich wissen, wer gemeint ist, wenn ein alter Schulkamerad aufkreuzt und - Lynley unterbrach den Klagegesang. »Corntel? Sergeant Havers kommt gleich hinunter.«
    Er legte auf, als das Mädchen mit Märtyrerstimme fragte, wie er nächste Woche gern genannt werden würde. Vielleicht hätte er ja außer Lynley und Asherton noch einen verstaubten Familiennamen auf Lager, den er gern mal ein, zwei Monate ausprobieren würde?
    Havers, die nach dem, was sie von dem Gespräch mitbekommen hatte, ihren nächsten Auftrag voraussah, war schon auf dem Weg zur Tür. Lynley sah ihr nach, eine rundliche Gestalt mit kurzen Beinen, und überlegte, was dieser unerwartete Besuch von Corntel zu bedeuten haben konnte.
    Ein Geist aus der Vergangenheit. Sie waren zusammen in Eton gewesen. Corntel, einer der Besten, wie Lynley sich erinnerte, war unter den Schülern der Oberstufe eine beeindruckende Erscheinung gewesen; ein hochgewachsener, grüblerischer junger Mann, der immer etwas schwermütig wirkte, mit rabenschwarzem Haar und aristokratisch geschnittenen Gesichtszügen. Wie um den Erwartungen gerecht zu werden, die seine äußere Erscheinung hervorrief, hatte Corntel sich darauf vorbereitet, sein A-level in
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