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0285 - Parkweg des Grauens

0285 - Parkweg des Grauens

Titel: 0285 - Parkweg des Grauens
Autoren: Parkweg des Grauens
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Achtzig Yards weiter rollte beinahe lautlos ein Wagen nach Norden. In seinen Scheinwerfern glitzerten kurz die taufeuchten Blätter von den Büschen und Bäumen im Central Park.
    Schlagartig wurde ihr bewusst, dass dort keine zweihundert Schritte von ihr entfernt, ihr Vater ermordet worden war. Regungslos stand sie neben dem erleuchteten Automaten und starrte auf die dunkle, undurchdringliche Wand von Schwärze, als die der Park aus dieser Entfernung erschien.
    Sie ging auf den Park zu, ohne es recht zu wissen. Sechzig Schritte hinter ihr tappten die halblauten Tritte eines Mannes durch die Finsternis. Ann Millertoe hörte sie nicht. Vor ihrem geistigen Auge stand das Bild ihres Vaters, wechselnd in seinen Erscheinungen, bald lachend, bald mit nachdenklichem, ernstem Blick, bald mit dem Vokabelheft in der Hand und dann wieder mit so charakteristisch hochgezogener Nase, wenn er frühmorgens an seiner Kaffeetasse schnupperte. Und mit jedem einzelnen Bild ihrer viel zu gut funktionierenden Erinnerung ging ein neuer, dumpfer und sehr schmerzhafter Stich durch ihre Brust.
    Sie war damals mit der Polizei am Tatort gewesen. Sie erinnerte sich noch genau, wie sie mit dem baumlangen Polizisten von der Straße auf den Weg abgebogen war. Sie fand den Weg sofort wieder. Aber es war so dunkel, dass sie nicht sicher war, ob sie auch die Stelle richtig wiedergefunden hatte. Geistesabwesend stand sie, schlank und verloren in der nächtlichen Einsamkeit, auf dem schmalen Weg und starrte halb blind in die Schwärze der Nacht. In ihrer Brust brach auf einmal der unbeschreibliche, tiefe und selbst das Atmen erschwerende Schmerz auf. Es war, als ob sich eine kalte, gepanzerte Faust umbarmherzig.um ihr Herz legte und es abzuschnüren drohte.
    Die Schritte des Mannes waren höchstens noch zwanzig Yards von der Stelle entfernt, wo das Mädchen stand.
    ***
    Es schlug halb vier von der nahen Kirche, als der Parkmörder auf den Stuhl stieg und den Arm ausstreckte. Seine feuchte, wie leblos kalte Hand tastete durch die Finsternis. Ein leises Scharren entstand. Es wurde lauter, als die Hand die gesuchte Pistole nicht finden konnte.
    Der Atem des Mannes ging schneller und pfeifend. Immer lauter, wilder, hektischer wurden die Bewegungen der suchenden Hand. Schweiß lief dem Mann von der Stirn und an den Augenbrauen entlang. Jetzt war wieder das heiße, glühende Stechen in seinem Kopf, das den Verstand in einem roten, wallenden Nebel auffraß und sein Wesen auf die wahnsinnige, unfassbare Idee zwang, auf den fürchterlichen Trieb, der ihn unentrinnbar zwang, das Furchtbare, Unbegreifliche zu tun.
    Das Keuchen seines Atems kam stoßweise. Er fiel mehr als er sprang, von dem Stuhl herunter. Fahrige Bewegungen kratzten über die Wand, suchten den Lichtschalter, fanden ihn und verfehlten ihn doch noch zweimal, als die Finger ihn schon berührt hatten.
    Licht. Gleißendes, helles Licht, das den Schmerz im Inneren seines Kopfes ins Maß der Hölle steigerte. Die Pistole, wo ist die Pistole? Jeder Schmerzstich nur von einem Inhalt erfüllt: die Pistole. Jede noch lebende Gehirnzelle von einer Vorstellung beherrscht: die Pistole.
    Die Pistole ist fort!
    Der Mann wankt vom Stuhl herab.
    Aber da! Ist es eine Sinnestäuschung?
    Narrt ihn sogar schon das Bild von der Wirklichkeit? Ist sein Verstand schon so weit zerfressen von der unaufhaltsamen Krankheit, dass er sieht, was nicht ist?
    Seine zitternden Hände tasten sich darauf zu. Sie packen es. Kein Zweifel. Die Hände fühlen es. Die Pistole… Der Atem wird ruhiger. Die Bewegungen gewinnen allmählich die 60 traumwandlerische Sicherheit und den harmlosen Fluss wilder Tiere. Obgleich nichts mehr, nicht ein Milligramm Gehirnsubstanz in ihm in diesen Augenblicken von einer fassbaren Vernunft kontrolliert wird, bewegt er sich plötzlich mit der Zielsicherheit des planenden, scheinbar vernünftigen Menschen.
    Er schiebt die Pistole in die Manteltasche, schlüpft in den Mantel und löscht das Licht. Er geht zur Tür und verschließt sie hinter sich. In einer halben Minute hat er sieben Höllen durchlebt, denn als er den Fuß auf die Straße setzt, verklingt gerade der letzte Schlag von der nahen Kirche.
    Mit gesenktem Kopf eilt er auf den Park zu. Als er die Gestalt des Mädchens vor sich sieht, werden seine Füße um eine Nuance schneller. Geradenwegs folgt er ihr. Plötzlich ist er leer, wie ausgebrannt. Kein Schmerz ist mehr in seinem Kopf und keine Vorstellung in seiner Seele. Er ist nichts mehr als eine
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