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0270 - Ultimatum an Unbekannt

Titel: 0270 - Ultimatum an Unbekannt
Autoren: Unbekannt
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krampfhaften Bemühen, mich auf andere Gedanken zu bringen, erwähnte er etwas, das er normalerweise niemals ausgesprochen hätte.
    „Sir - Sie wissen doch sicherlich, daß die Akonen und somit auch die Arkoniden Nachkommen der irdischen Lemurer sind, nicht wahr?"
    Ich nickte nur. Das war mir allerdings bekannt. Für mich hatte es einen schweren moralischen Schlag bedeutet, erfahren zu müssen, daß mein großes Volk aus altlemurischen Kolonisten hervorgegangen war.
    Im Laufe der nachfolgenden fünfzigtausend Jahre waren die Arkoniden sogar leicht modifiziert, weshalb ich nicht einmal behaupten konnte, ein echter Mensch zu sein. Ich besaß keine Rippen, sondern eine durchgehende Brust- und Rückenplatte. Auch verschiedene Organe waren verändert. Ich hatte keinen Grund mehr, auf die Erfolge der alten Arkoniden besonders stolz zu sein, zumal sie einen großen Teil dessen vergessen hatten, was die Lemurer technisch und wissenschaftlich längst einwandfrei beherrscht hatten.
    Während der arkonidischen Blütezeit war ich mit Transitionstriebwerken durch den Hyperraum geflogen. Die Lemurer, also meine tatsächlichen Vorfahren, hatten bereits das wesentlich bessere Lineartriebwerk bis zur Perfektion entwickelt gehabt.
    „Das stört mich nicht, Lemy", sagte ich zerstreut. „Ich habe andere Probleme."
    „Natürlich, Sir. Ich finde es trotzdem wichtig, Sie mit einer erneuten Bosheit der Terraner vertraut zu machen."
    „Bosheit...?"
    Ich drehte mich um und musterte ihn. Wenn der Kleine solche Begriffe gebrauchte, begann ein Normalterraner bereits zu grinsen. Ich kannte doch diese wildverwegenen Burschen mit dem harten Blick und der individualistischen Gesinnung.
    „Nun, nun, sie meinen es natürlich nicht böse, Sir", betonte Lemy gedehnt. Seine Geste wirkte ungefähr so, als mußte er ein unartiges Kind oder einen betrunkenen Schwergewichtler besänftigen.
    „Ich hätte gar nicht davon anfangen sollen, Sir", fügte der Wichtelmann unruhig hinzu. „Würden Sie die Güte haben, meine unüberlegten Worte zu vergessen?"
    Nein, ich hatte nicht „die Güte".
    „Sprechen Sie", forderte ich. „Was gibt es? Um welche Bosheit handelt es sich?"
    Lemy wirkte todunglücklich. Er hatte bestimmt das Gefühl, viel zu weit gegangen zu sein.
    „Sir - man besaß die einem gebildeten Menschen völlig unverständliche Unverfrorenheit, Sie mit einem - mit einem Spitznamen zu belegen."
    Ich seufzte. Das war wieder eine typische Lemy-Danger-Ausdrucksform gewesen.
    „Schön, schön, Spezialist Danger. Ist das alles? Ich bin durch meinen Zellaktivator zehntausend Jahre alt geworden. Was glauben Sie wohl, wie viele Spitznamen ich während meiner langen Wanderung durch die Epochen der Erdgeschichte erhalten, habe? Ich war beispielsweise für einige Zeit Kommandant der Prätorianergarde unter Caligula. Damals nannte man mich 'Schinder', weil ich diesen Leuten etwas beibringen wollte. Verzeihen Sie - ich wollte sagen, ich hatte sie etwas lehren wollen.
    Meine Ausdrucksform war etwas vulgär."
    Er nickte großzügig. Ich lachte innerlich Tränen.
    „Ich würde eher meinen, Sie haben sich an den allgemeinen Sprachgebrauch gehalten", meinte Lemy.
    Schließlich richtete er sich zur würdevollen Haltung auf. Ich mußte scharf hinsehen, um die auf seinem Mikrogesicht erkennbare Empörung ablesen zu können.
    „Nun, so sei es denn, Sir, ich werde sprechen", sagte er pathetisch. „Stellen Sie sich vor, Sir, diese ungehobelten Menschen nennen Sie Beuteterraner!"
    Wahrscheinlich hatte er auf einen Ohnmachtsanfall meinerseits gewartet.
    Mein lautstarkes Gelächter schockierte ihn. So hatte ich schon lange nicht mehr lachen können. Ich befreite meine Seele damit von einem Teil der aufgestauten Erregung und stellte mir immer wieder vor, wie dieser Spitzname zustandegekommen war.
    Die Terraner waren unerschöpflich im Erfinden solcher Dinge. Ich kannte kein anderes galaktisches Volk, das annähernd fähig gewesen wäre, über sich selbst so zu spotten und sich selbst so zu kritisieren, wie es Terraner mit größter Selbstverständlichkeit vermochten.
    „Beuteterraner, herrlich", sagte ich hustend. „Ist das alles, mein Freund?"
    Lemy stand breitbeinig auf der Tischplatte, hatte die Hände in die Hüften gestemmt und sah mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck auf mich hinab. Ich bemerkte jetzt erst, daß ich in meinem zurückgeklappten Andrucksessel lag und die Beine weit von mir streckte.
    Lemy war ein viel besserer Psychologe, als ich gedacht
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