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0255 - Die Gefangene der Teufelsinsel

0255 - Die Gefangene der Teufelsinsel

Titel: 0255 - Die Gefangene der Teufelsinsel
Autoren: Jason Dark
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jungen, kräftigen Burschen, denen die Aufgabe zufiel, den Toten abzuholen und ihn durch das Spalier der Anwesenden zu tragen.
    Rechts und links der Bahre blieben sie stehen, verneigten sich vor der Leiche, bevor sie sich noch tiefer bückten und die Bahre anhoben.
    Zwei faßten vorn an, die beiden anderen hinten.
    Und so gingen sie hinaus.
    Der Wind blies feinen Schnee und kalte Luft durch die offene Tür. Die Flammen draußen bewegten sich, sie flackerten, und manchmal waren ihre glühenden Zungen zu erkennen, je nachdem, wie sie vom Wind erfaßt wurden.
    Ecco war zur Seite getreten, um die Träger vorbeizulassen. Jetzt sprach er die Alte an.
    »Willst du den Wagen nicht auch verlassen, Azucena? Du weißt doch, daß es so Sitte ist.«
    Sie kam langsam vor und löste sich aus dem Dunkel des hinteren Wohnwagenteils. »Ich muß den alten Traditionen folgen«, flüsterte sie und hielt ihre gichtkrummen Hände ineinander verkrallt.
    »Es wird kalt sein«, sagte Ecco ebenso leise. »Du sollst dir warme Kleidung überziehen.«
    Da lächelte sie und fragte: »Was ist diese Kälte schon gegen die Starre des Todes?«
    Ecco nickte. »Deine Worte beweisen mir, daß du eine von uns bist und wir dich zu Recht als unsere Führerin anerkennen. Ich werde für dich beten, Azucena.«
    »Nein, Ecco, nein!« Sie schüttelte ihren Kopf. »Nicht für mich. Das ist nicht nötig. Ich bin alt, und ich fühle, daß die Stunde des Todes naht. Betet für die anderen. Betet intensiv. Ruft die schwarze Madonna an, denn die Gefahr lebt weiter.«
    »Aber Ambiastro ist…«
    »Nicht er, Ecco, andere. Denk an die Insel! Erinnere dich, wie gefährlich sie ist…«
    »Es wird sie niemand finden, denn sie ist auf keiner Karte der Welt verzeichnet.«
    »Auch wir haben sie gefunden.«
    »Es war ein Zufall.«
    »Du irrst dich, Ecco. Das war kein Zufall, sondern Schicksal. Sedonis ist aus der Vergangenheit erschienen, und sie wird wieder in die Vergangenheit zurückkehren, wenn Marita stirbt.«
    Da senkte Ecco den Kopf.
    »Nun weißt du Bescheid. Bete für uns, bete für sie. Marita ist auf der Insel. Sie blieb als Wächterin zurück, sie opferte sich, damit Ambiastro uns nichts tat. Denke immer daran. Marita ist noch da.«
    »Können wir sie holen?«
    »Ich weiß es nicht. Ich bin zu schwach, um die Insel noch einmal anzufahren.«
    »Und die Fremden?«
    Da hob die alte Zigeunerin ihren Kopf. »Hast du je in deinem Leben den Fremden vertraut, Ecco?«
    »Nein, ich…«
    »Da siehst du es.«
    »Aber das ist etwas anderes. Denke an Myxin. Es war bei diesem Mann. Und Myxin ist eine Figur, die wir auch kannten. Wir haben seinen Namen auf den alten Schriften gelesen. Erinnere dich daran. Die alten Steintafeln erzählen von ihm.«
    »Ich weiß es, und ich werde vielleicht meine Meinung ändern. Aber jetzt laß uns gehen.«
    Ecco öffnete der alten Zigeunerin die Tür.
    Azucena konnte nicht mehr so forsch laufen wie noch vor Jahren. Sie mußte achtgeben, wohin sie trat. Ihre Beine waren alt und müde geworden, die Knochen wollten nicht mehr. Sie hatten genug ausgehalten, und der Tod würde sie bald in sein kaltes Reich ziehen.
    Sie stemmte sich gegen den kalten Wind, als sie vorsichtig ihren Fuß auf die erste Stufe setzte. Wie mit einem Messer schnitt der Wind durch die Kleidung und in ihre Haut. Azucena blieb auf der letzten Stufe stehen und schaute in die Flammen.
    Die aufgebauten Fackeln säumten den Weg. Neben ihnen standen die Mitglieder der Sippe. Das hin- und hertanzende Licht veränderte ihre Gesichter und verzerrte sie zu Masken, denen ein unheimliches Leben eingehaucht zu sein schien.
    Niemand sprach. Die Blicke der Anwesenden waren auf die Leiche und auf die alte Zigeunerin gerichtet, denn sie als Sippenführerin mußte den Trauermarsch einleiten.
    Sie gab das Zeichen. Es war ein Hochheben der linken Hand, und somit wußten auch die anderen Bescheid.
    Es waren die Träger, die sich in Bewegung setzten. Unter ihren Füßen knirschte der Schnee. An den Stellen, wo er getaut war, lag nur Matsch auf der Erde.
    Und so gingen sie weiter. Stumm, irgendwie verzweifelt, weil der Tod so plötzlich und hart zugeschlagen hatte.
    Azucena folgte der Bahre. Sie hielt sich dicht dahinter, denn so verlangte es die Ordnung, daß sie als Führerin und gleichzeitig auch als Verwandte als erste dem Toten die letzte Ehre gab.
    Sie schritten durch die Gasse.
    Die Fackeln verbreiteten Wärme. Der Wind trieb jedoch die Kälte herbei, so daß beides an ein Wechselbad
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