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0235 - Disco-Vampir

0235 - Disco-Vampir

Titel: 0235 - Disco-Vampir
Autoren: Rolf Michael
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begrüßte.
    Man konnte meinen, daß er aus einer ganz anderen Zeit stammte.
    »Darf ich Euch das Geleit geben?« bot ihr Heinleyn den Arm zum Einhaken an. »Es wäre mir wirklich eine große Ehre… !«
    »Nein, du, das geht wirklich nicht!« versuchte sich Regina Stubbe herauszureden. »Die Jungen aus meiner Clique würden da ziemlich sauer. Und in dem Fummel würden sie dich gar nicht ins ›Odeon‹ lassen!«
    »Welch seltsame Sprache, die mir doch so vertraut erscheint!« murmelte Heinleyn. »Was ist das, das ›Odeon‹? - Und was bedeuetet das - ›sauer sein‹?«
    »Mensch, Toby. So reden doch alle. In was für einer Zeit lebst du denn? Halten dich deine alten Herrschaften so kurz, daß du keinen Kontakt mit Gleichaltrigen hast? Wäre nicht verwunderlich, bei dem altmodischen Fummel, mit dem du dich da behängt hast!«
    »Dunkel ist der Sinn Eurer Rede!« sagte Heinleyn. »Doch nun kündet mir, wohin Euch Euer Weg führt.«
    »Das habe ich doch schon gesagt, Toby!« sagte Regina Stubbe vorwurfsvoll. »Aber jetzt noch mal ganz langsam zum Mitschreiben. Ich gehe jetzt ins ›Odeon‹. Das ist eine Disco am Marktplatz, wo irre was los ist. Und das ist der Treffpunkt von meiner Clique. Da wird getanzt und da haben sie immer die neusten Scheiben.«
    »Ist’s Euer Weg, so ist’s auch der meinige!« sprach der Vampir fest. Ihm wurde langsam klar, daß er in einer völlig anderen Zeit war. Und nun mußte er sich anpassen. Dieses Mädchen, das in ihrer Schönheit einer Fee aus dem Märchen glich, konnte ihm sicher dabei helfen. Sie hatte so ein bezauberndes, nettes Wesen. Gerade so wie jene Rosalinda in Nürnberg, der Tobias Fürchtegott Heinleyn bei Beginn seiner Wanderschaft eine Rose und ein Versprechen hinterlassen hatte.
    »Du kannst da nicht mit, Toby!« erklärte Regina. »Weißt du, der Achim ist irre scharf auf mich. Und wenn der sieht, daß ich mit einem anderen Typ anrolle, dreht der dir eine Wendeltreppe in den Hals, daß du die Pommes-frites einzeln runtertragen kannst!«
    »Aber, ich wollte doch…!« stammelte Heinleyn. Doch da hatte sich Regina Stubbe bereits auf dem Absatz umgedreht. Wie eine Erscheinung verschwand sie in der Schwärze der dunklen Gasse am Domplatz.
    Tobias Fürchtegott Heinleyn war nicht in der Lage, ihr zu folgen. Denn Regina Stubbe hatte ihren grazilen Körper nicht nur, wie andere Mädchen in ihrem Alter, durch diverse Hunger kuren und Joghurt-Diäten, sondern hauptsächlich daher, daß sie aktiv Leichtathletik betrieb.
    Und besonders auf Kurzstrecken über achthundert Meter erreichte sie ganz respektable Ergebnisse. Kein Wunder, daß der Vampir nicht Schritt halten konnte.
    »Tschüß, Toby…!« hörte Heinleyn ihre Stimme verwehen.
    ***
    »… im ›Odeon‹ wirst du ihn finden!« hörte Anny Polat die Stimme des Asmodis. »Er ahnt nicht, warum er dem Grabe entstiegen ist. Er weiß nicht, was er tun muß, um unserer Sache zu dienen. Dich, meine Tochter, haben wir ausersehen, diesen Heinleyn auf unsere Straße zu führen. Denn auf den Gedanken, jemanden zu beißen und sein Blut auszusaugen, würde dieser Heinleyn nie kommen. Der lebt noch ganz im verschrobenen Ehrenkodex der Zeit des Biedermeier, wo man schönen Frauen den Hof machte. Und wo man aus Gründen einer seltsamen Moral auf Distanz ging. Zeit seines damaligen Lebens hat es dieser Kerl nicht über einen Handkuß heraus gebracht!«
    »Was soll ich tun, o Meister?« war die Frage der Hexe.
    »Du mußt dich ihm nähern, mein Täubchen!« sank die Stimme des Asmodis zu einem Flüstern ab. »Du mußt ihn umgarnen. Du mußt ihn dazu bringen, daß es ihm eine Lust wird, eine Frau zu umarmen. Und dann mußt du ihm das Küssen lernen. Und nicht nur das Küssen der Menschen. Lehre ihn den Kuß des Vampirs !«
    »Ob er sich wirklich von mir umgarnen läßt?« zweifelte Anny Polat. »Denn ich bin zwar noch jung… aber um die Aufmerksamkeit eines Mannes auf mich zu lenken, doch zu alt. Und Leute in meinem Alter lassen sie ins ›Odeon‹ erst gar nicht rein!«
    »Dem läßt sich abhelfen!« dröhnte die Stimme des Fürsten der Finsternis. Im gleichen Augenblick ging ein Ziehen und Reißen durch Anny Polats Körper.
    Einen Moment später klang der Schmerz schlagartig ab. Durch den Körper der Hexe floß ein wohliges Gefühl.
    »Sieh dich in dem Spiegel!« forderte der Fürst der Finsternis auf. Und nach einer unnachahmlichen Gebärde des höllischen Meisters entstand eine kreisrunde Spiegelfläche aus dem Nichts.
    Das Gesicht
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