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022

Titel: 022
Autoren: Flucht vor dem Teufel
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stand Glynis auf und nahm die Wasserschüssel an sich. Roger zog den Kittel über den Kopf und streifte ihn über seinen entstellten Oberkörper. Derweil Glynis aufhörte, das sauber gefegte Zimmer aufzuräumen, betraten Diener, die sie und der Sohn nicht kannten, das Gemach und musterten anerkennend den Raum. Offensichtlich zufrieden nickte einer von ihnen den anderen zu. „Ja, er kommt in Frage. Bringt die Sachen herauf." Er wandte sich an Glynis und verbeugte sich leicht. „Bist du Gräfin Mary?"
    „Nein."
    Voll neuen Interesses glitt der Blick des Mannes über sie und registrierte ihre feinen Sachen. In Gedanken gelangte er zu der offenkundigen Schlussfolgerung. Glynis schien leicht zu erröten, als sein Verhalten ihr gegenüber sich änderte. Roger, dem dies nicht entgangen war, wollte dem Burschen das wissende Lächeln aus dem Gesicht schlagen. Doch in diesem Moment erkannte er das Abzeichen des Herzogs der Normandie auf der Brust eines anderen Dienstboten und zwang sich, sein Temperament im Zaum zu halten. Seine Mutter ahnte seine Anspannung und versuchte, ihn abzulenken. „Du hast viel zu tun, mein Sohn, wenn du mit dem Herzog weiterziehen willst. Du gehst besser zu Herleva und findest heraus, ob sie einige deiner Kittel länger machen kann, solange noch Zeit dazu ist."
    Herzog William lag in seinem großen Eichenzuber, nachdem er das Gemach des Grafen übernommen hatte. Glynis stand mit einem eingeseiften Tuch neben ihm, bereit, ihm beim Bad zu helfen.
    „Ist es schon albern genug zu denken, ich sei unfähig, mich selbst zu waschen", brummte er, „aber wenn du das tun musst,

    dann pass auf meine Augen auf. Sie sind nicht mehr das, was sie waren, indes bin ich noch auf beide angewiesen."
    Glynis beugte sich vor, seifte ihm den vernarbten Rücken ein und sagte mit leiser, musikalischer Stimme: „Ich habe so manchen Mann gebadet, Sire, und keinen dabei geblendet."
    „Du hast einen angelsächsischen Akzent."
    „Ja. Ich wurde während Hereward the Wakes Rebellion hergebracht. Mein Vater hat mit Wake gemeinsame Sache gemacht. Ich sehne mich danach, zurückzukehren, aber von denen, die ich dort kannte, ist niemand mehr da."
    Prinz Henry erhob sich, um die Frau genauer anzusehen. „Kann es sein, dass du die Mutter des jungen FitzGilbert bist?" „Ja."
    William schaute hoch, und seine Augen blinzelten sie anerkennend an. „Gilberts Buhle, he?"
    „Ja."
    „Schade, dass er nicht dich statt Mary de Clare geheiratet hat."
    „Ich hatte ihm nichts einzubringen, Sire, und hätte ich die Wahl gehabt, hätte ich mich geweigert." Die musikalische Klangfarbe von Glynis' Stimme war geschwunden und ihr Ton dumpf und flach geworden.
    „Dennoch hast du Gilbert einen prächtigen Sohn geboren. Obwohl er an Gewicht und Größe unterlegen war, hat dein Roger sich heute gut gehalten. Bei einiger Übung wird sr einen guten Ritter abgeben."
    „Ich hätte gedacht, er hätte den Kampf böse verloren, Sire, denn sein Leib ist so gut wie nirgendwo unverletzt."
    William stand auf, um sich abspülen zu lassen. „Wenn dem so ist, dann wurde er verprügelt, bevor wir eintrafen. Sobald er ein eigenes Schwert und einen Schild hatte, hat er beinahe so viele Hiebe ausgeteilt, wie er abbekam. Es freut mich, ihn in meinen Dienst zu nehmen."
    „Und das bekümmert Demoiselle Eleanor. Sie möchte sich nicht von ihrem Bruder trennen, Papa." Henry würde mehr über Eleanor erfahren, wenn es ihm gelang, Glynis dazu zu bringen, über sie zu reden.
    „Nun ..." Glynis fing an, William heftig mit einem rauen Tuch abzureiben. „Für die beiden ist es das Beste, wenn Roger jetzt fortzieht. Sie waren zu viel zusammen, und es kommt
    ohnehin die Zeit, wenn Eleanor verlobt werden wird. So, wie die Dinge liegen, beschützen die beiden sich zu viel, als dass ..."
    „Ist Eleanors Los so unglücklich?" unterbrach Henry sie.
    „Sie ist kein Sohn", antwortete Glynis schlicht.
    „Aber sie ist wirklich schön. Wie könnte jemand sie nicht gern haben?"
    „Henry ..." Der Blick aus Williams dunklen Augen warnte den Sohn. „Du wirst kein Auge auf sie werfen. Gute Frau, das ist genug. In meinem Alter heilen alte Wunden langsam."
    Glynis wollte in die Hände klatschen, um Williams Kammerdiener herbeizurufen, doch der Herzog gebot ihr Einhalt. „Ich ziehe mich selbst an." Sie zuckte leicht mit den Achseln, ehe sie hastig vor ihm knickste und fortging.
    „Was denkst du von ihr, Papa?"
    „Von Gilberts Buhle?"
    „Der Demoiselle."
    „Für ihre Jahre ist sie
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