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022 - Schreie aus dem Sarg

022 - Schreie aus dem Sarg

Titel: 022 - Schreie aus dem Sarg
Autoren: Larry Brent
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ein Wort. »Sie sollten sich jetzt um Ihre
Frau kümmern«, fuhr Dr. Solifou Keita dann fort. »Sie hat einen Blick vom
Balkon heruntergeworfen. Man konnte sie nicht davon abhalten. Sie wurde
ohnmächtig. Ich fürchte, sie wird einen Schock erleiden, wenn sie aufwacht. Ich
habe ihr vorsorglich ein Beruhigungsmittel gespritzt. Es wäre vielleicht gut,
wenn sie während der nächsten Stunden unter ärztlicher Aufsicht stünde.«
    Luison nickte. Er kam sich mit einem Mal vor wie ein Roboter, der Befehle
entgegennahm und dem jedes eigene Nachdenken abgenommen wurde.
    »Ja, ja, ich werde dafür sorgen ...«
    »Noch besser wäre es vielleicht, sie an einen Ort zu bringen – den Ihre
Tochter nicht kennt, Monsieur.« Luison sah den afrikanischen Arzt an, als wäre
er nicht ganz richtig im Kopf.
    »Ich verstehe Sie nicht, Doktor ...«
    »Ich sprach von der Wiederkehr Ihrer Tochter, denken Sie daran!« Keita zog
den Franzosen auf die Seite. »Es ist kein Scherz. Aus meinem Mund mag es
vielleicht recht seltsam klingen. Ich habe in Ihrem Land studiert. Ich kenne
Europa. Aber ich kenne auch meine schwarze Heimat, Monsieur. Wenn Ihre Tochter
zurückkommt, wird es zu dramatischen Vorfällen kommen! Sie kehrt als eine
Fremde zurück, als eine Tote – die dennoch existiert. Eine Art Zombie, wenn Sie
so wollen, und doch ganz anders. Sie ist ein lebender Leichnam, Monsieur! Für
mich gibt es keinen Zweifel. Das, was heute Nacht hier geschah, ist ein
deutliches Zeichen dafür, dass Ihre Familie – ausgerottet werden soll !«
     
    ●
     
    In der Nähe von Epernay an der Marne stand die Villa der Familie Simonelle.
    Der alte Besitzer war der letzte Nachfahre eines echten Marquis und konnte
seinen Stammbaum bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen.
    Vor vierhundert Jahren noch hatte sich hier – mitten in der riesigen
Parkanlage, die bis an das Ufer der Marne heranreichte – ein kleines
Schlösschen befunden, von dem jetzt nur noch das baufällige Haupthaus und ein
Wirtschaftsgebäude standen, das als Schuppen diente, wo Geräte, ein
Leiterwagen, ausgedientes Pferdegeschirr und ein altmodisches Vehikel
untergebracht waren.
    Die beiden Garagen, in denen zwei nagelneue Wagen standen, waren erst vor
einigen Jahren errichtet worden. Schon aus Prestigegründen hielt der alte
Simonelle – der den offiziellen Titel Marquis bewusst abgelegt hatte – einen
englischen Rolls Royce. Der Sohn, Jean-Pierre, war versessen auf einen
Rennwagen. Er fuhr einen Alfa Romeo mit einer Sondermaschine: 250 PS. Beide,
Vater und Sohn, hatten eine Schwäche gemeinsam: Sie liebten Pferde. Und dass
dieses Hobby ausgiebig genutzt wurde, darauf wiesen die Ställe hin, in denen
insgesamt fünfzehn Boxen eingebaut waren, die die Vollblüter des
Simonelle-Stalles aufnahmen. Außer den halbzerfallenen Gebäuden des ehemaligen
Schlösschens und der im 17. Jahrhundert errichteten Prunkvilla, die noch heute
vom einstigen Glanz der reichen Simonelles zeugte, gab es die hauseigene
Kapelle. Auch die jetzige Familie liebte den Luxus und den Reichtum. Zahlreiche
von ihm ausgeschöpfte Diamantvorkommen hatten Simonelle zu einem der reichsten
Männer Frankreichs werden lassen.
    In der Kapelle wurden die neugeborenen Simonelles getauft; dort wurden
Hochzeiten geschlossen und Totenmessen gelesen. Gleich neben der Kapelle, durch
einen gewölbeähnlichen verschlossenen Eingang versperrt, befand sich die
Familiengruft.
    In der Kapelle waren zur Totenfeier für die auf tragische Weise ums Leben
gekommene Charlene Simonelle die engsten Familienmitglieder versammelt.
    Der wuchtige Eichensarg war mit zahlreichen Messing- und Bronzeverschlägen
versehen. Auf dem Deckel war in eine Platte das Familienwappen der Simonelles
eingraviert: zwei gekreuzte Schwerter unter zwei gekreuzten Lilien.
    Madame und Monsieur Simonelle und der letzte Sohn der Familie nahmen in der
vordersten Bankreihe Platz.
    Ein Meer von Kränzen und Blumengebinden umgab den Sarg, der links und
rechts von jeweils fünf mannshohen, eisengeschmiedeten Kerzenständern flankiert
wurde, auf denen armdicke Kerzen brannten.
    Über dem einfachen Altar hing ein goldenes, künstlerisch wertvolles
Kruzifix.
    Hinter den Eltern und dem Bruder der Toten saßen in schwarzer
Trauerkleidung die Verwandten.
    Der Pfarrer hielt nur eine kurze Trauerrede. Nach Rücksprache mit Simonelle
vermied er es, auf die genauen Umstände einzugehen, die zum Tod der hübschen
Charlene geführt hatten. Er erwähnte nur »den Unfall in der Hauptstadt
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