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0216 - Der Pharaonenfluch

0216 - Der Pharaonenfluch

Titel: 0216 - Der Pharaonenfluch
Autoren: Rolf Michael
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in hohle Augen, aus denen das Nichts sprach, er blickte kalt über Körper, deren Fleisch an den Knochen klebte.
    Denn während der Mumifizierung wurden die Leichen in Essenzen gebadet, die das Fleisch zergehen ließen und nur die Knochen und die Haut erhielten. Denn nur der Körper mußte bereit sein, wenn die Seele dereinst wiederkehrte. Aber in den Augen der Lebenden bieten diese skelettartigen, verschrumpelten Parodien auf einen menschlichen Körper einen Anblick, der auch weniger zart besaiteten Gemütern des Grauen über den Rücken treibt.
    Ben Khebir war diesen Anblick allerdings gewöhnt und es erfaßte ihn dabei genausowenig das Entsetzen wie einen europäischen Bestatter, wenn er einen an Altersschwäche Gestorbenen einsargen muß.
    Diese dort waren tot und dienten nun dazu, den Lebensstandard ihrer Nachkommen ein wenig aufzubessern.
    Der Lichtkegel fraß sich an einer Mumie fest. An den Insignien konnte der Araber erkennen, daß er einen Priester vor sich hatte. Einen Priester des Anubis.
    Anubis – der Gott des Todes.
    ***
    Vergangenheit!
    Die Majestät des Tempels wirkt erdrückend. Sechs Priester tragen auf einer Art Bahre eine sich aufbäumende Gestalt durch die hohe Halle, deren Säulenkapitelle wie Papyrusstauden aussehen. Weihevoll hallt der Gesang der Priester zu den Standbildern der Götter empor.
    Mit schnellen Schritten folgen zwei Priester in weißen, faltigen Gewändern, deren Kopf vollständig kahlrasiert ist, dem Zug.
    »Wir wollen bei ihm bleiben in seiner letzten Stunde!« flüsterte einer. »Gegen den Biß des Nilwurmes gibt es kein Gegenmittel. Ramose wird die Sonne nicht mehr sinken sehen.«
    Und sie folgen den Trägern in eine Seitenkapelle, wo die Träger ihre Last sanft absetzen. Der Körper hat sich inzwischen beruhigt. Er scheint keine Schmerzen mehr zu verspüren.
    Aber der Hauch des Todes liegt über seinen Zügen.
    Thotmes, einer der Priester, sieht das. Aus einer geheinen Nische des Tempels füllt er eine Schale mit einer süßlich duftenden Flüssigkeit, die er dem Sterbenden an den Mund führt. Krampfhaft beginnt der Todgeweihte zu schlucken.
    »Bald, bald wirst du dich auf den Schwingen des Horus-Falken der Sonne entgegenschwingen!« redet Thotmes begütigend und Ptahor, sein Kollege, sagt: »Anubis wird dich bei der Hand nehmen. Der Gott, an dessen Altären du dientest, wird dich linde geleiten und für dich zeugen an der Waage der Seelen!«
    »Werde ich … werde ich je wieder ein Opfer für Anubis darbringen können?« quält sich Ramose hervor. Die beiden Priester schütteln den Kopf. »Andere werden an deiner Statt der heiligen Pflicht der Altäre walten!« sagte Ptahor feierlich!
    »Aber«, bäumt sich der Sterbende auf, »wenn sie ihre Dienste nachlässig versehen … wenn sie die heiligen Schakale des Gottes nicht genügend füttern … wenn sich niemand mehr vor Anubis verneigt … wenn ihn niemand mehr anbetet … dann stirbt er. Nur Götter, an die Menschen glauben und die von ihnen verehrt werden, leben!«
    »Beruhige dich!« redet Thotmes auf ihn ein, »der Dienst des Altares wird weitergeführt bis … ja, bis deine Seele zurück in ihren Körper entlassen wird. Dann … ja, dann magst du dem Gott erneut Opfer darbringen!«
    »Ja, wenn meine Seele zurückkehrt!« röchelt Ramose, der Priester des Totengottes, auf dessen Stirn der Todesschweiß perlt. »Mein Leib wird die Zeiten überdauern … bis der Tag kommt … oder bis meinem Leichnam die Ruhe genommen wird. Wehe dem, der meine Totenruhe stört. Aus dem Reiche der Nacht, kehre ich zurück und der Schänder meines Leichnams wird das erste Opfer für Anubis …«
    Ein letztes, krampfhaftes Zucken, dann ist der Anubis-Priester Ramose tot.
    Thotmes und Ptahor murmeln die Totengebete.
    ***
    Yussef ben Khebir machte sich keine Gedanken darüber, warum er sich der Mumie des Anubis-Priesters näherte. Eine Mumie so gut wie jede andere. Mit seinen starken Händen griff er zu. Ganz leicht war für ihn das Bündel, das eines der Anubis-Priester Ramose gewesen war.
    In diesem Moment zuckte der Araber zusammen. Etwas hatte ihn getroffen wie ein elektrischer Schlag. Er ließ die Mumie fahren und sprang einige Sätze zurück. Und – war da nicht aus den toten Augen ein Leuchten?
    Ein Leuchten, in dem tödlicher Haß mitschwang.
    Yussef rieb sich die Augen. Hatten ihm seine gereizten Nerven einen Streich gespielt? Oder war es wirklich wahr, was die Alten des Dorfes über den Fluch der Mumien
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