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02 Winter am Ende der Welt

02 Winter am Ende der Welt

Titel: 02 Winter am Ende der Welt
Autoren: Annegret Heinold
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Eintrittsgeldern, der Stiftung der Familie und den Förderungen, die wir noch zusätzlich bekommen.
    Einmal im Jahr macht die Schule im Ort ein Projekt, die älteren Schüler kommen für drei oder vier Tage und helfen auf der Farm und lernen, dass Gemüse nicht nur abgepackt und eingeschweißt im Supermarkt zu kaufen ist, sondern eigentlich in der Erde wächst, dass Eier nicht in Zwölferschachteln von Robotern produziert werden, sondern in der Tat hinten aus Hühnern fallen und Milch nicht in Tüten vom Himmel fällt, sondern aus Kühen kommt.
    Nach einer Weile werden die Träume schöner und schöner. Das kommt bestimmt von all dem leckeren Essen und dem guten Wein und der Musik von Angelique Ionatos. Wir beschließen, die CD nicht zu wechseln, wir fangen einfach immer wieder von vorne an. Angelique Ionatos singt Gedichte von Frieda Kahlo, Alas pa´ Volar . Das ist die perfekte Musik um zu träumen – also nach einer Weile spielen wir unser Leben nicht nur als gemeinsame erfolgreiche Museumsleiter durch, sondern auch als glückliches Paar.
    Carl und ich sind sehr glücklich zusammen. Manchmal fahren wir ins Dorf, um ein paar Sachen im Supermarkt einzukaufen, zu tanken und bei Kathleen Kaffee zu trinken. Ab und an fahren wir über The Road in The Stadt. Wenn wir frei haben, wird Carl mir Courtney und Comox zeigen und wir werden am Kin Beach zelten. Wir werden bei Billy D abends ein Bier trinken und den anderen beim Dart-Spielen zusehen.
    Im Winter haben wir die Farm dann ganz für uns. Im Winter kommen keine Besucher. Das Museum ist geschlossen. Carl wird den Ofen heizen und das Werkzeug reparieren. Ich werde Wolle spinnen und Quilts nähen ...
     
    Draußen setzt Sturm ein. Wind zieht vom Inlet hoch. Regen prasselt auf das Dach. Wir stehen auf und sehen aus dem Fenster. Der Sturm heult noch mal so richtig auf. Eine Dachpappe segelt durch die Luft, fällt fast auf die Straße, bekommt noch mal Wind von unten und fliegt wieder hoch. Das ist kein Wetter, wo man vor die Tür geht.
    „Du kannst einfach hier bleiben, wenn du willst“, sage ich zu Carl.
    „Aber nicht im Gästezimmer“, sagt Carl.
    „Hat jemand Gästezimmer gesagt?“, sage ich.
    „Dann ist ja gut“, sagt Carl.
    Wir sehen zu, wie der Wind weiter den Regen durch die Straßen peitscht. Draußen ist es stockdunkel. Kein Auto fährt. Es muss schon sehr spät sein. Kein Mensch ist auf der Straße, natürlich nicht, bei dem Wetter, selbst der Typ mit dem Kaffeebecher und seinem Hund sitzt vor seinem Kamin oder Fernseher oder schläft. So wie die meisten hier im Dorf um diese Zeit. April und Jeff sind jetzt in Nanaimo. Joana und Schwiegermutter sind in New York. Tiago und Carlota stehen jetzt vermutlich auf oder sind längst wach und planen weiter an ihrer Hochzeit, weil uns Lissabon ja um acht Stunden voraus ist. Und wenn ich nicht von der Existenz aller dieser Menschen wüsste (und dem, was sie aktuell tun, dank Facebook), könnte ich denken, wir wären hier alleine auf der Welt.
    So ungemütlich da draußen. So kalt. So dunkel.
    Aber hier drinnen – richtig gemütlich. So warm und gemütlich.
    Die Teelichter tauchen den Raum in ein sanftes Licht. Carl legt den Arm um mich. Er steht dicht hinter mir. Ich kann seinen Körper spüren. Ich lehne mich etwas nach hinten. Gemeinsam sehen wir in die Dunkelheit und lauschen dem Regen. Angelique Ionatos singt: Pies para qué los quiero si tengo alas pa´volar. Was brauche ich Füße, wenn ich doch Flügel zum Fliegen habe ...
    Und in diesem Moment weiß ich, das es eine schöne Nacht wird. In diesem Moment interessiert es mich nicht die Bohne, was mit meinem Leben war oder was mit meinem Leben wird. In diesem Moment zählen nur Carl und ich und die Sicherheit des blauen Flusshauses. Die Indianer in dieser Gegend haben Häuser als Schachteln betrachtet. Schützende Schachteln. Der Gedanke gefällt mir. Und in dieser Schachtel hier ist es im Moment besonders schön und geschützt. Und gut. Und einfach – wow ...
     
    Als ich am nächsten Morgen aufwache, geht es mir so richtig gut. Ich höre Carl in der Dusche pfeifen. Das hat mir gefehlt – dass ein Mann morgens in der Dusche pfeift. Mein Bett ist warm und fühlt sich wie ein Nest an. Ein warmes gemütliches Nest in einer schützenden indianischen Schachtel. Es geht mir einfach gut und mir wird klar, was meine Schwiegermutter und Carlota mit diesem ease up als Weihnachtsgruß auf ihren Vanillekipferln gemeint haben könnten. Diese Nacht war praktisch ein
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