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02 Winter am Ende der Welt

02 Winter am Ende der Welt

Titel: 02 Winter am Ende der Welt
Autoren: Annegret Heinold
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steht, merke ich, Carl hat mir gefehlt und ich finde ihn klasse. Es ist nicht nur sein Aussehen (das natürlich auch), es ist einfach die ganze Ausstrahlung, seine Augen, sein Lachen. Alles.
    „Und warum hast du dich dann nicht mal bei mir gemeldet?“, fragt Carl.
    „Du hast kein Telefon“, sage ich. Aber ich weiß natürlich auch, dass das eine lahme Ausrede ist. Schließlich habe ich ein Auto und weiß, wo Carl wohnt.
    „Ach komm“, sagt Carl.
    „Also gut, also gut, okay, ich weiß es nicht“, sage ich.
    Das ist die ehrliche Antwort. Ich weiß es nämlich wirklich nicht. Habe ich stattdessen erwartet, dass Carl sich bei mir meldet? Nein, nicht mal das. Irgendwie habe ich da einfach nicht dran gedacht, weil ich so in meine Patchwork-Decke gefallen bin.
    „Und warum bist du nun neulich nicht zum Essen gekommen?“, fragt Carl.
    „Wegen der Schwiegermutter und Joana“, sage ich.
    „Aber die sind ja jetzt wieder weg, oder?“, sagt Carl.
    „Ja“, sage ich.
    „Und sind jetzt irgendwelche anderen Besucher da?“, fragt Carl.
    „Nein“, sage ich. „Niemand hier. Außer Peppermint und mir.“
    (Reimt sich sogar, Zufallstreffer).
    „Werden irgendwelche Besucher für heute erwartet?“
    „Nein“, sage ich.
    „Irgendwelche anderen Pläne für heute?“, fragt Carl.
    „Keine Pläne“, sage ich.
    „Vielleicht Lust auf ein gemeinsames Essen heute?“, fragt Carl.
    „Yep“, sage ich. Und ob.
    „Gut“, sagt Carl.
    Er dreht sich um und geht zu seinem Auto. Macht die Tür auf und nimmt einen Picknick-Korb raus.
    „Dann koche ich hier“, sagt Carl. „Sonst tauchst du womöglich wieder nicht auf, weil wieder irgendwas dazwischenkommt, und ich sitze wieder mit dem ganzen Essen da und das ist ja irgendwie schade um das gute Essen.“
    Carl kocht kompetent in meiner super aufgeräumten Küche (danke Schwiegermama, das ist ganz ernst gemeint, danke) und wir reden über meinen zukünftigen Job im Museum. Meinen möglichen zukünftigen Job im Musem. Soll ich zustimmen oder nicht? Und wenn ich nicht zustimme, was könnte ich dann stattdessen machen? Clochard unter den Brücken von Paris klingt nur romantisch, wenn man jung ist und das Leben noch vor sich hat. Und so richtig romantisch klingt es auch nur, bevor man als Romanistik-Studentin das Auslandssemester in Paris gemacht hat. Danach sieht das dann auch schon ein bisschen anders aus. Es kann unter den Brücken der Seine nämlich verdammt kalt und feucht werden. Und Rotwein-Baguette-Käse ist eine Vorstellung von Nahrung, aber keine wirkliche Dauer-Ernährung.
    Beim Abendessen – Mann, ist Carl ein guter Koch! Ich bin ja mehr so die Hausfrau-Familien-Köchin, ich koche nicht schlecht und es sind immer alle satt geworden und es hat immer allen geschmeckt, aber das hier ist irgendwie eine andere Liga. Ich koche in der Spaghetti-Liga, Carl kocht in der Tapas-Antipasti-Liga. Also beim Abendessen spielen wir in Gedanken mal unser Leben als Jasmin Monteiro und Carl Lawrence als Museumsleiter der historischen Farm durch.
     
    Carl und ich auf Johns Farm. Wir haben das Haus tipptopp renoviert, die Stallgebäude auch, das Metalldach ist weg und statt dessen liegen wieder Holzschindeln auf dem Dach, es sieht hier wieder aus wie vor siebzig oder achtzig Jahren, als John in der Wildnis ankam und hier sein Leben als Siedler begann. Carl und ich legen im Frühjahr einen Garten für das Gemüse an. Carl schneidet den alten Pflaumenbaum, so dass er wieder Früchte trägt. Ist zwar ein bisschen riskant wegen der Bären im Frühsommer, aber das Risiko gehen wir ein. Er sägt die unteren Äste ab, da sind die Pflaumen für die Bären schwerer zu erreichen.
    Carl trägt Kleidung, die ich für ihn im Winter genäht habe. Zumindest wenn die Besucher da sind. Da laufen wir nämlich ganz authentisch rum, wie echte Siedler. Ich im langen Kleid mit Schürze, er in grober Hose, Hemd und Weste. Ich habe ihm die Weste gestrickt, und die Wolle dafür habe ich an den Abenden selber gesponnen, auf dem alten Spinnrad, das hier im Wohnzimmer steht. Das erzählen wir jedenfalls den Besuchern.
    Wir pflegen den Garten, ernten das Gemüse, kochen ein, machen Marmelade, die wir im Café servieren und verkaufen. Im Frühjahr und im Sommer sind wir viel draußen. An heißen Tagen baden wir im Fluss. An den Wochenenden kommen die Besucher, manchmal auch in der Woche, aber meistens am Wochenende, wir servieren Tee, Kaffee und Kuchen im Wohnzimmer und wir können gut davon leben, von den
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