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02 - Tanz der Sehnsucht

Titel: 02 - Tanz der Sehnsucht
Autoren: Nora Roberts
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das hatte sie getan. Sie hatte jede Woche noch extra Spitzentraining gemacht. Sie konnte nur hoffen, dass sich das auszahlen würde.
    Sie hatte gearbeitet und geprobt, bis die Bewegungen und die Musik fest in ihr verankert waren. Doch wenn es eine Nummer gab, die sie nervös machte, dann diese.
    Die ersten vier Minuten würde sie allein auf der Bühne sein. Allein, die Beleuchtung ein fahles Blau, der Vorhang glitzernd und schimmernd hinter ihr.
    Die Musik würde einsetzen ...
    Maddy drückte die Starttaste des
    Kassettenrekorders und stellte sich vor den Spiegeln auf. Ihre Arme würden sich vor ihrem Körper kreuzen, und die Hände würden leicht auf ihren Schultern liegen. Langsam, ganz langsam würde sie in Spitzenposition gehen. Und anfangen.
    Die Geräusche von draußen nahm Maddy schon nicht mehr wahr. Eine Reihe träumerischer Pirouetten. Ein Sprung, die Arme ausgestreckt. Es musste mühelos aussehen, so als würde sie schwe-ben. Die angespannten Muskeln, der Kraftaufwand, nichts davon durfte in dieser Nummer zu ahnen sein. Sie verkörperte ein Traumbild, eine Musikboxtänzerin im Ballettrock mit Stirnreif.
    Fließende Bewegungen. Sie stellte sich vor, ihre Glieder seien aus Wasser, selbst als sie Kraft für eine Reihe schneller Drehungen brauchte. Sie hob die Hände über den Kopf und brachte ihren Körper in die Waagerechte. In der Figur musste sie ein paar Sekunden ausharren, bis Jonathan auf die Bühne kommen würde, um den Traum zum Pas de deux zu machen.
    Maddy ließ die Arme wieder sinken und schüttelte sie, damit die Muskeln entspannt blieben. So weit konnte sie ohne ihren Partner proben. Sie ging zum Rekorder und spulte zurück. Noch einmal.
    „Ich habe dich noch nie so tanzen sehen."
    Sie wurde aus ihrer konzentrierten Versunkenheit gerissen und bemerkte Roy in der Tür. „Es ist auch sonst nicht mein Stil. Ich habe dich gar nicht bemerkt."

    „Du bist eine ewig neue Überraschung", murmelte er und trat nä
    her. „Wenn ich dich nicht kennen würde, hätte ich geglaubt, ich beobachte eine Primaballerina."
    Es freute sie, doch sie tat es mit einem Lachen ab.
    „Einige klassische Bewegungen machen noch keinen Sterbenden Schwan."
    „Aber du könntest, wenn du wolltest?" Er nahm ihr das Handtuch ab, nach dem sie griff, und tupfte damit sanft ihre Schläfen ab.
    „Ich weiß nicht. Wahrscheinlich würde ich mitten in .Dornröschen' den unwiderstehlichen Drang nach ein paar Steppschritten verspüren."
    „Für das Ballett ein Verlust, für den Broadway ein Gewinn."
    „Sprich nur weiter so." Sie lachte auf. „Ich brauche es."
    „Maddy, du bist schon fast zwei Stunden hier. Du wirst erschöpft sein, bevor der Vorhang überhaupt aufgeht."
    „Heute habe ich genügend Energie, um das ganze Musical dreimal zu spielen."
    „Und wie steht es mit dem Essen?"
    „Die Bühnenarbeiter machen Gulasch. Wenn ich um vier oder fünf etwas davon esse, müsste ich es eigentlich bis zum ersten Akt verdaut haben."
    „Ich wollte mit dir essen gehen."
    „O Roy, das könnte ich nicht, nicht vor der Vorstellung. Hinterher." Sie legte die Hände in seine.
    „Gut." Ihre Hände waren kühl. Zu kühl, zu angespannt. Er wusste nicht, wie er Maddy beruhigen konnte. „Maddy, bist du vor einer Premiere immer so?"

    „Immer."
    „Sogar, wenn du ganz zuversichtlich bist, dass es ein Erfolg wird?"
    „Nur, weil ich zuversichtlich bin, bedeutet das nicht, dass ich nicht dafür arbeiten müsste, damit es ein Erfolg wird. Und das macht mich nervös. Nichts Lohnendes gelingt mühelos."
    „Nein." Er blickte sie nachdenklich an. „Nein, das stimmt."
    Jetzt sprachen sie nicht mehr über die Premiere oder das Theater. „Du glaubst wirklich, wenn du nur hart genug an etwas arbeitest und fest genug daran glaubst, dann gelingt es auch?"
    „Ja, das glaube ich."
    „Wir?"
    Sie schluckte. „Ja, auch wir."
    „Selbst wenn wir so verschieden sind?"
    „Es ist nicht eine Frage von Wesenszügen, Roy."
    Er ließ ihre Hände los und trat zurück. Wie oben, auf dem Schnürboden, überfiel ihn wieder diese Angst vor dem Fallen. „Ich wünschte, ich könnte so optimistisch sein wie du. Ich wünschte, ich könnte an Wunder glauben."
    Sie spürte, wie die Hoffnung, die in ihr aufgestiegen war, wieder in sich zusammenfiel. „Ich auch."
    „Heirat ist wichtig für dich."
    „Ja. Die Bindung. Die Verpflichtung. Das Versprechen. Ich bin dazu erzogen worden, so ein Versprechen zu respektieren und in einer Ehe kein Ende, sondern einen Anfang zu
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