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02 - Der 'Mann in Weiß'

02 - Der 'Mann in Weiß'

Titel: 02 - Der 'Mann in Weiß'
Autoren: Christian Schwarz
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hölzerner Würfel mit einem Schachbrettmuster darauf. Seine trüben Blicke schienen unentwegt die Linien nachzufahren. Dabei brabbelte er unverständliches Zeug. Er reagierte nicht auf Fernandos Begrüßung.
    »Hallo Béjar«, sagte Tom, nachdem er sich ihm gegenüber auf den Boden gesetzt hatte.
    Nun reagierte der Mann wenigstens. Seine Blicke gingen vom Würfel weg in Toms Richtung. Sie schienen die Konturen seines Gesichts zu verfolgen. Dabei lachte Béjar glucksend. Schließlich erhob er sich erstaunlich behände auf alle viere und krabbelte weg. Sabber lief dabei aus seinem Mund.
    Unter einem Tisch, den er sich mit einer Wolldecke als vorne offene Höhle zurechtgemacht hatte, setzte er sich im Schneidersitz hin.
    Tom ließ sich vor den »Eingang« nieder. »Wir sind hier, weil wir mit dir über den Feuergott reden wollen, Béjar«, sagte er.
    »Frrgtt…«, kam es gepresst über Béjars Lippen. Sein Gesicht verzerrte sich in namenlosem Schrecken. Er begann unkontrolliert zu schluchzen, Tränen liefen über seine Wangen. Tom fragte sich erschrocken, ob er zu weit gegangen war. Da kroch der Geisteskranke aus seiner Höhle und schnappte sich ein Blatt Papier samt Bleistift.
    »Feuergott«, murmelte er nun klar und deutlich. »Schrecklicher Feuergott. Macht alle tot. Lässt nur Béjar leben. Béjar schuld, Béjar böse. Feuergott böse, Béjar arm…« Mit angespanntem Gesicht begann er das Maya-Zeichen des Blitze schleudernden Feuergottes zu zeichnen. So flink und so genau, als sei er selbst ein Maya. Dabei wiederholte er seine Aussagen gebetsmühlenhaft. Tom lief es kalt über den Rücken.
    Plötzlich stieß Béjar einen lauten, schrillen Schrei aus, nahm das Papier und zerriss es. Dann zerknüllte er die Einzelteile, steckte sie sich in den Mund und kaute darauf herum. Schließlich spuckte er die speicheldurchtränkten Papierstücke wieder aus.
    Tom blieb geduldig an dem Geisteskranken dran. Immer wieder entlockte er ihm Fragmente, die er nur selten einordnen konnte.
    »Es ist so leicht. Hat kein Gewicht. Es trinkt das Licht…«, murmelte Béjar, als er versuchte, eine Fliege auf dem Boden totzuschlagen. Er schaffte es im vierten Anlauf und schob sie sich in den Mund.
    »Was hat kein Gewicht?«, fragte Tom. »Die Fliege?«
    »Nicht Fliege. Kein Gewicht. Trinkt das Licht…«
    Tom war angespannt. Sprach Béjar Gaitan von dem geheimnisvollen Artefakt? Was meinte er mit der Formulierung »trinkt das Licht«? Etwa ein Schwarzes Loch, dessen Gravitation so hoch war, dass sie selbst das Licht einsog? Das war ja wohl kaum möglich.
    Mehr Interessantes bekam Tom aber nicht mehr zu hören. Denn kurz darauf setzte sich Béjar wieder auf den Boden und malte das Feuergott-Zeichen wieder und wieder. Exakt die gleiche Größe, exakt die gleichen Linien. Wenn Tom die Zeichnungen übereinanderlegte, konnte er nicht die kleinste Abweichung erkennen.
    Ihn schauderte.
    »Cordova kannte diese Zeichnungen auch, nicht wahr?«, fragte Tom.
    Fernando nickte. »Ja. Ich habe sie ihm ein paarmal gezeigt. Cordova wollte immer die Ruine finden, aus der Béjar den Gegenstand hatte. Ich habe ihn aber nie dorthin geführt.«
    Tom ging ein ganzer Kronleuchter auf. Deshalb also war Cordova fast durchgedreht, als er auf dem Foto das Zeichen des Feuergottes gesehen hatte. Er hatte daraus geschlossen, dass er, Tom, jene Grabkammer entdeckt haben musste.
    Allmählich verknüpften sich die Enden des Rätselgespinstes, das Tom umgab. Aber noch fehlte der wichtigste Teil: der Hauptfund der Kammer.
    ***
    Tom wollte versuchen, Béjar mehr über diesen Licht trinkenden Gegenstand zu entlocken, oder zumindest den Namen jenes spanischen Kunstsammlers zu erfahren, an den das Artefakt damals verkauft worden war. Doch plötzlich stieß der Geisteskranke einen lauten, schrillen, lang anhaltenden Schrei aus, deutete in eine Zimmerecke und kroch dann in die entgegengesetzte Richtung weg.
    Die Tür flog auf, Ospina stürzte herein. Er hielt eine Spritze in der Hand und rammte sie dem Schreienden in den Oberarm. Tom hätte dem Pfleger am liebsten von Béjar weggezerrt, aber dann hätte er nie wieder auch nur einen Fuß in die Anstalt setzen dürfen. So beherrschte er sich, zumal auch Fernando Gaitan nichts unternahm. Wahrscheinlich kannte er die Prozedur schon.
    Béjar wurde sofort ruhig. Er seufzte und schien sich sogar zu entspannen.
    »Sie gehen jetzt besser, Señores«, entschied Ospina.
    »Wann können wir wieder zu ihm?«, fragte Tom.
    »Nicht vor drei
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