02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
uns herum auf die Straße fielen. Meine Worte rissen den Leser einfach nicht mit.
Bill schrieb die Szene nochmals um, und plötzlich geschah das Wunder: Die Szene las sich genau so, wie ich sie erlebt hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich bezweifelt, daß meine Geschichte Menschen interessieren würde, die mich nicht kannten. Nach Bills Zauberei hatte ich keine Zweifel mehr.
Die zweite Schwierigkeit war gewichtiger und gefährdete die Fertigstellung unseres Buches ernsthaft. Es war im September, kurz nachdem Dad gestorben war, und ich war sehr verletzlich. Bill und ich arbeiteten bis tief in die Nacht hinein, manchmal bis zwei oder drei Uhr morgens. Ich war geistig erschöpft und am Ende meiner Kraft.
Das Schreiben war für mich von Anfang an etwas sehr Emotionales, aber ich hatte erkannt, daß meine Gefühle der Kern meiner Botschaft waren. Doch jetzt verlor ich die Kontrolle. Die Wunde brach auf, als mir Dinge in die Hände fielen, die mir Moody über die Jahre hinweg geschenkt hatte: Bücher mit Widmung und eine Spieldose, die Brahms' Wiegenlied spielte, während sich ein kleines Figür-chen drehte. Eine Mutter, die ihr Kind in den Armen wiegt.
Die Geschenke ließen erstaunliche Gefühle zum Vorschein kommen, die ich verdrängt hatte. Ich konnte es nicht länger leugnen: Ich vermißte Moody. Damit nicht genug, mit einem Teil meines Herzens liebte ich ihn noch.
Von der Zeit vor unserer Hochzeit an war er mein bester Freund, mein Vertrauter gewesen. Nun war ich allein.
Als ich diese Gedanken zugab, setzten sie tiefe Schuldgefühle und Selbstzweifel in mir frei. Wie konnte ich für 42
Moody auch nur entfernt irgend etwas empfinden außer Rachegefühlen - nach allem, was er uns angetan hatte?
Mit wem konnte ich darüber sprechen? Wer würde mich verstehen?
Wie der Rest meiner Familie war ich in Sachen Gefühle zum wahren Verdrängungskünstler geworden. Jetzt befand ich mich unwiderruflich auf einer Odyssee in meine innerste Gefühlswelt, und ich empfand diese Reise als äußerst qualvoll. Verzweifelt versuchte ich, mich zu befreien und das Buch, den Film und alles, was damit zu tun hatte, zu vergessen. Es gab Zeiten, in denen jede morgendliche Sitzung mit Bill damit anfing, daß ich aufsprang und weinend hinausrannte.
Ich rechne es Bill und Marilyn hoch an, daß sie mich nie zu etwas zwangen und immer für mich da waren.
Während ich im Badezimmer schluchzte, rauchte Bill geduldig eine Pfeife und arbeitete still weiter, bis ich wieder zum Tisch zurückkehrte. Wäre er aggressiver gewesen, hätte ich das Projekt vielleicht für immer aufgegeben. Ohne seinen Beistand hätte ich Moody vielleicht tatsächlich angerufen; es gab Tage, an denen ich diesem Drang fast nachgegeben und alles kaputtgemacht hätte.
Ich stand jenen Monat durch — und damit die schlimmste Krise meines Lebens. Ich setzte mich mit der Krise auseinander, ich sprach darüber, ich schrieb darüber, ich durchlebte alles noch einmal. Dann kam die Katharsis, und eine große Last fiel von mir ab. Zum erstenmal in meinem Leben war ich ein freier Mensch.
Die Idee einer Verfilmung von Nicht ohne meine Tochter tauchte bereits wenige Tage nach meiner Rückkehr aus dem Iran auf. Die Agentur William Morris sah den Film von Anfang an als Teil des Ganzen, und der Filmvertrag mit Metro- Goldwyn-Mayer kam vier Monate später zustande, 43
kurz nachdem wir den Vertrag für das Buch unterschrieben hatten.
So wie ich es verstanden hatte, sollte ich die MGM-Pro-duzenten Harry und Mary Jane Ufland »beraten«. Die Uf-lands waren ein typisches Paar aus Hollywood. Er war ein Mann in den späten Fünfzigern, knapp einen Meter siebzig groß, ein quirliges Energiebündel. Mary Jane mochte Mitte Dreißig sein, war größer als Harry, sehr schlank und hatte lange, glatte, blonde Haare.
Mein erstes geschäftliches Treffen mit den Uflands fand wenige Tage nach Unterzeichnung des Vertrages statt.
Wir hatten uns im Restaurant eines Hotels am Metropolitan Airport von Detroit verabredet und warteten geschlagene drei Stunden auf einen prominenten, in Detroit ansässigen Drehbuchautor. Obwohl Harry sehr nett zu mir war, konnte ich ihm ansehen, daß er sich ärgerte. Er pflegte sonst nicht auf andere zu warten.
Endlich erschien der Drehbuchautor und setzte sich zu uns. Ohne sich für seine Verspätung zu entschuldigen, sah er mich an und erklärte: »Ich sage Ihnen gleich, was ich von der Sache halte. Wir machen daraus eine Liebesgeschichte zwischen Ihnen und dem
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