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0199 - Phantom der Lüfte

0199 - Phantom der Lüfte

Titel: 0199 - Phantom der Lüfte
Autoren: Wolfgang E. Hohlbein
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seinen Brauen entstand eine steile, mißbilligende Falte. Ersetzte sich abrupt auf, griff nach seiner Hose, die in einem unordentlichen Haufen auf dem Boden lag, und zog eine Packung Filterzigaretten aus der Tasche.
    »Gib mir auch eine«, verlangte Sandy.
    Borg hielt ihr die Packung hin und gab ihr Feuer.
    »Kinder sollten nicht rauchen«, sagte er halblaut.
    »Sicher, Papi.«
    »Ich könnte wirklich dein Vater sein.«
    »Ich weiß«, nickte Sandy. »Du solltest dich schämen, alter Mann, mit einem Mädchen in die Berge zu fahren, das deine Tochter sein könnte. Aber du lenkst ab. Wie alt bist du?«
    Borg sog an seiner Zigarette. Die Glut spiegelte sich in seinen Augen wieder. »Warum willst du das wissen?«
    Sandy lächelte. »Warum? Zum einen - ich kenne dich, seit ich denken kann. Und ich kann mich nicht erinnern, daß du jemals jünger ausgesehen hast als heute.«
    »Ich habe mich eben gut gehalten.«
    »Für jemanden, über den die Leute erzählen, daß er schon mit den ersten Goldsuchern in dieses Land gekommen ist, bestimmt.«
    »Erzählen sie das?« fragte Borg.
    »Das und noch mehr. Aber ich weiß, wieviel Blödsinn die Leute reden. Besonders hier, wo Neuigkeiten ungefähr so selten sind wie Weihnachten. Also -gestehen Sie, Mister Borg. Wie alt sind Sie?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Borg nach sekundenlangem Schweigen. »Früher wußte ich es einmal, aber ich habe es vergessen. Vielleicht viertausend. Vielleicht auch ein paar Jahre jünger oder älter.«
    »Kannst du eigentlich nie ernst antworten?« fragte Sandy. Sie stand auf, stieß sich den Kopf an der Zeltstange und sank mit einem ganz und gar nicht damenhaften Fluch wieder zu Boden.
    »Hast du dir wehgetan?« fragte Borg ruhig.
    Sandy knurrte wütend. »Wie kommst du auf die Idee? Nach allem, was du mir pausenlos antust, weiß ich schon gar nicht mehr, was Schmerzen sind.« Sie atmete tief ein, sog an ihrer Zigarette und sah Borg lange und nachdenklich an. Ihre Stimme klang plötzlich vollkommen ernst.
    »Verdammt noch mal, Borg, ist es denn so schwer zu begreifen, daß ich dich liebe?«
    Von allen Reaktionen, die sie sich vorstellen konnte, war Borgs die unwahrscheinlichste.
    Für zwei, drei Sekunden starrte er sie fassungslos an. Seine Augen weiteten sich entsetzt, und über sein Gesicht huschte eine Vielzahl von Empfindungen: Unglauben, Staunen, Abwehr, schließlich… Angst. Seine Schultern verkrampften sich. Sie sah, wie sein Adamsapfel wild auf und ab hüpfte, während er krampfhaft nach Worten rang.
    »Sag… so etwas nicht«, stöhnte er schließlich.
    »Aber…«
    »Sag das nicht! Sag das nie wieder!« brüllte Borg plötzlich. Er sprang auf, riß sie brutal vom Boden hoch und preßte ihre Oberärme mit seinen riesigen Pranken zusammen. Sandy spürte plötzlich zum ersten Mal, wie stark dieser Mann wirklich war. In seinen mächtigen Fäusten kam sie sich wie eine hilflose Stoffpuppe vor.
    »Sag das nie wieder!« brüllte er mit vollem Stimmaufwand.
    Dann, von einer Sekunde auf die andere, hatte er sich wieder in der Gewalt. Sein Gesicht erstarrte wieder zu der narbigen, ausdruckslosen Maske, die Sandy kannte. Seine Hände sanken schlaff herab, während er zurücktrat und den Kopf senkte.
    »Entschuldige«, murmelte er leise.
    »Es… tut mir leid.«
    Sandy wich einen halben Schritt zurück und massierte ihre schmerzenden Oberarme. Borg hatte einen Augenblick lang mit aller Kraft zugedrückt. Sie hatte das Gefühl, zwischen die Backen eines gigantischen Schraubstockes geraten zu sein.
    »Aber…«, machte sie hilflos, »was… was habe ich denn gesagt?«
    Borg zuckte zusammen. Er fuhr herum, drehte ihr den Rücken zu und bückte sich hastig nach seinen Kleidern. Seine Schultern zuckten.
    »Borg, sag doch etwas. Ich…« Sandy brach hilflos ab und starrte Borg verständnislos an. Sie begriff einfach nicht, was der Grund für diesen plötzlichen Ausbruch war. In all den Jahren, die sie diesen riesigen, stillen Mann kannte, hatte sie ihn noch nie derart erregt erlebt. Niemand aus dem Valley kannte Borg anders als ruhig, selbstsicher und überlegend. Der Gedanke, daß er zu einer unüberlegten Handlung fähig wäre, wäre ihr bis vor wenigen Sekunden noch absolut lächerlich erschienen.
    Borg schlüpfte hastig in Hose und Schuhe, raffte sein Hemd vom Boden auf und lief aus dem Zelt.
    Sandy folgte ihm zögernd. Sie verstand immer noch nicht, was eigentlich passiert war. Sie spürte nur, daß sie irgend etwas furchtbar Schreckliches
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