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0189 - Im Schatten der Ratte

0189 - Im Schatten der Ratte

Titel: 0189 - Im Schatten der Ratte
Autoren: Im Schatten der Ratte (1 of 2)
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und wenn er den Lesern auch eine Mischung von Facts, Lügen, halben Wahrheiten und Verdrehungen vorsetzte, so hatte er alles dennoch so raffiniert verkocht, dass harmlose Bürger daran zweifeln konnten, ob damals vor rund dreißig Jahren der wirkliche Dillinger auf dem Straßenpflaster verblutet war oder ob die Polizei einen hässlichen Trick benutzt hatte, uiñ die laute Kritik an ihrer Unfähigkeit endlich zum Schweigen zu bringen. Selbstverständlich war nichts so deutlich ausgedrückt, dass man Dryser hätte belangen können, und ebenso selbstverständlich war, dass sich die These vom wiederauferstandenen John Dillinger nicht würde halten lassen, dennoch hatte Dryer sein Ziel erreicht. Er hatte den Mord an drei Polizisten mit einem berühmt-berüchtigten Namen verknüpft. Das garantierte eine Gänsehaut bei den Lesern und damit die Sensation.
    Wie richtig er kalkuliert hatte, erkannte ich, als ich mir die Spätausgaben anderer Zeitungen kaufte. Während die Blätter in dem Morgenzeitungen noch sachlich und nüchtern über den Cornwall-Fall berichtet hatten, stiegen auch sie jetzt auf die »Dillinger-Masche« um.
    Innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden durchraste der Name des toten »Staatsfeindes Nr. 1« noch einmal die Vereinigten Staaten, verdrängte die politischen Nachrichten, die Raketenstarts und die UNO-Krise von den Titelseiten. Noch einmal wuchs der drohende Schatten eines einzelnen Mannes, ein Schatten mit einer Maschinenpistole in den Händen, über dem Land hoch. Am dritten Tage formulierte eine Zeitung in Chicago das, was Millionen Amerikaner dachten:
    Wann schlägt John Dillinger zu?
    ***
    Watergap ist eine Kleinstadt in Pennsylvania, gut hundert Meilen von New York entfernt. Seine einzige Bedeutung liegt darin, dass hier jede Woche einmal Viehauktionen stattfinden. New Yorks großer Bedarf an Frischfleisch wird in Watergap umgeschlagen. In mancher Beziehung erinnert hier vieles noch an die Zeit des Goldenen Westens, obwohl die Herden selbstverständlich nicht mehr getrieben, sondern in riesigen Güterzügen befördert werden, und es ist üblich, dass der Viehzüchter in Watergap sein Personal entlohnt, sobald er seine Waren an einen der Aufkäufer verkauft hat. Die Schecks des Züchters werden von den Cowboys, falls man sie noch so nennen will, in den drei Bankfilialen der Stadt in Bargeld umgewechselt. Aus diesem Grund halten die Banken an den Auktionstagen mehr Geld in ihren Kassen bereit als sonst. Die großen Beträge für den Kauf und Verkauf des Viehs wechseln allerdings bargeldlos den Besitzer, sodass diese riesigen Summen Watergap gewissermaßen nicht berühren.
    Die Cowboys und ihre Löhne haben in der Stadt einige bescheidene Bars emporsprießen lassen, aber die Zeiten sind vorbei, in denen die Löhnung für einen Viehtrieb quer durch die Straßen in einer Nacht an einer Bartheke verjubelt wurde. Heute haben auch die Cowboys Frau und Kind zu ernähren und gehen sparsam mit ihren Dollars um. Immerhin wimmelt es in Watergap an den Auktionstagen von Fremden.
    Das größte Bankunternehmen in der Stadt ist die Filiale der Pennsylvania & Dakota Bank. Sie ist in einem Eckhaus der Hauptstraße untergebracht. Wie jede Bank verfügt sie über moderne Sicherungsanlagen, sei es auch nur aus dem Grund, die Versicherungsprämien zu sparen. Der letzte Banküberfall in Watergap ereignete sich 1851 und brachte den Räubern zunächst drei Beutel mit Goldstücken und Goldstaub und später eine Seilfahrt an einer großen Eiche ein. Seitdem hat sich nie wieder jemand mit Gewalt an den Kassenbeständen zu vergreifen versucht.
    Bis zu diesem Morgen… Es begann damit, dass eine dumpfe Explosion durch die Stadt rollte. Die Leute, die zu diesem Zeitpunkt die General Grant Street passierten, spritzterferschreckt auseinander, denn offenbar ereignete sich die Explosion in der Nähe, ohne dass im ersten Augenblick jemand hätte sagen können, wo es genau gewesen war. Drei oder vier Fensterscheiben klirrten auf die Straße, und aus einem Kabelschacht quoll weißer Rauch.
    Die Menschen beruhigten sich.
    »Sicher ein Kurzschluss dort unten«, sagte ein Mann und zeigte auf den weißen Rauch.
    Aus dem Rathaus in der General Grant Street, in dem sowohl die Stadtverwaltung wie die Fernsprechzentrale und die Polizei untergebracht waren, kamen einige Polizisten und beugten sich interessiert über den qualmenden Schacht. In einigen Häusern erloschen die Lichter, aber die meisten Bewohner merkten nichts davon, denn es
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