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0183 - Das Knochenschiff

0183 - Das Knochenschiff

Titel: 0183 - Das Knochenschiff
Autoren: Friedrich Tenkrat
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der ausgebreiteten Wolldecke stand ein Kassettenrecorder. Daneben lagen Zigaretten und ein Stück Schokolade.
    Eben brach sie davon wieder eine Rippe ab und schob sie sich zwischen die regelmäßigen perlweißen Zähne.
    Schritte.
    Debra setzte das Fernglas ab, durch das sie Fess White beobachtete, und wandte den Kopf. Calvin Lee kam die Düne herauf. Er grinste.
    Debra mochte ihn nicht sonderlich, denn er hielt sich für den Größten und den Besten. Er dachte, nur mit dem Finger schnippen zu müssen und schon lagen ihm alle Mädchen zu Füßen.
    Debra gehörte jedenfalls nicht zu den Girls, bei denen Calvin Lee Erfolg haben konnte, und das ärgerte ihn. Es verletzte seine Eitelkeit. Er war schwarzhaarig, hatte dunkle Augen und roch nach einem teuren Herrenparfüm, das die Frauen, wenn man der Werbung glauben durfte, verrückt machte.
    Auf Debra wirkte es nicht.
    »Ah, die Tochter des Bürgermeisters«, sagte er und hob eine Augenbraue. »Einen recht schönen guten Morgen wünsche ich. Darf ich Ihnen ein wenig Gesellschaft leisten?«
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich lieber allein sein, Calvin.«
    Er tat so, als hätte sie nichts dergleichen gesagt. Er war bekannt dafür, daß er sich gern über alle Regeln des menschlichen Zusammenlebens hinwegsetzte. Ungerührt nahm er auf der Decke neben Debra Platz.
    »Sie sehen heute wieder bezaubernd aus«, sagte er.
    Der Kassettenrecorder spielte den letzten Hammer von »Coast to Coast«.
    »Die Jungs haben ‘nen Drive drauf, was?« sagte Calvin Lee. »Das geht einem gewaltig in die Beine.«
    Debra hoffte, er würde gehen, wenn sie ihn nicht weiter beachtete. Sie nahm das Fernglas wieder auf und beobachtete Fess White draußen auf dem Meer. Sein Boot schoß pfeilschnell dahin. Es war ein Vergnügen, ihm dabei zuzusehen, wie er sich die Natur untertan machte.
    »Ist das da draußen Fess?« fragte Calvin Lee.
    »Ja.«
    »Der Junge will die Regatta wohl unbedingt gewinnen.«
    »Ich finde daran nichts Schlechtes. Sie fahren doch auch mit, um zu siegen, oder?«
    »Ja, aber ich trainiere nicht schon vom Morgengrauen an, um dieses Ziel zu erreichen.«
    »Jeder Mensch ist anders. Fess nimmt die Sache eben ernst.«
    »Das tu’ ich auch, Sie werden sehen, daß ich Ihrem Freund nicht die geringste Chance lasse. Er wird es verdammt schwer mit mir haben.«
    »Wenn Sie sehr viel Glück haben, können Sie hinter Fess zweiter werden«, sagte Debra kalt.
    »Das glaube ich nicht. Ich habe da ein paar Tricks auf Lager, die Fess bestimmt noch nicht kennt.«
    »Wenn Sie unfair sind, werden Sie disqualifiziert.«
    »Es gibt Grenzsituationen, meine Liebe. Die müssen von der Jury gerade noch toleriert werden, kosten dem Gegner aber viel von seinem Vorsprung.« Calvin Lee lachte selbstbewußt. »Natürlich decke ich jetzt meine Karten noch nicht auf.«
    »Ich werde Fess vor Ihnen warnen.«
    »So viel liegt Ihnen daran, daß der Junge gewinnt? Darüber könnten wir natürlich reden.« Lee legte die Hand auf ihre Schulter. Sie zuckte zusammen. »Wenn Sie ein bißchen nett zu mir sind, sorge ich dafür, daß Fess die Regatta gewinnt, Debra.«
    »Was fällt Ihnen ein!« herrschte sie ihn an und wollte seine Hand abschütteln. Es gelang ihr nicht. Lee zog sie an sich. Sie ließ das Fernglas fallen. Er versuchte sie zu küssen. Da stieß sie ihn von sich und gab ihm links und rechts eine Ohrfeige. »So!« fauchte sie. »Ich denke, das sollte Sie wieder zur Vernunft gebracht haben, und nun verschwinden Sie!«
    Er erhob sich. Es funkelte gefährlich in seinen Augen. »Vielleicht war es unvernünftig, mich zu schlagen, Debra. Ich kann sehr unangenehm werden, wenn ich jemanden nicht mag.«
    »Ich habe keine Angst vor Ihnen.«
    »Das werden Sie noch bereuen«, knurrte Calvin Lee und verdrückte sich.
    »Idiot«, sagte Debra leise, als er weg war, und es freute sie, daß sie ihn so kräftig geohrfeigt hatte. Bestimmt würde er nicht noch mal versuchen, sie zu küssen.
    Sie wollte das Fernglas wieder zur Hand nehmen, da war das Band aus. Sie wechselte mit wenigen Handgriffen die Kassette und schaute dann wieder nach Fess White.
    Erstaunt stellte sie fest, daß sich sein Boot nicht mehr von der Stelle rührte. Schlaff hing das Segel am Mast, und Fess war nicht an Bord. Da stimmte doch irgend etwas nicht.
    Beunruhigt suchte Debra Newman die nähere Umgebung des Bootes ab. Keine Spur von Fess White. Das Mädchen stand auf. Es drehte am Rad der Schärfeneinstellung des Glases, doch dadurch war Fess auch
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