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015 - Das Blutmal

015 - Das Blutmal

Titel: 015 - Das Blutmal
Autoren: Jens Lindberg
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Weg. Sie tat völlig unbefangen.
    »Na, mein Pascha. Den Rausch ausgeschlafen?«
    Sie schloss die Augen und spitzte den Mund zum Kuss, hörte ihn dann aber am Eisschrank hantieren.
    »Dann eben nicht.« Sie lachte glucksend. »Weißt du eigentlich, dass du dich lächerlich machst?«
    »Es gibt Schlimmeres.«
    »Zum Beispiel das Zerstören einer schönen Verbindung.« Anna setzte sich zu ihm an den Küchentisch. »Ich habe meinen Hals mit der Lupe untersucht«, sagte sie heiter. »Schön und glatt wie eh und je. Du hast wohl Tomaten auf den Augen, wenn du rot siehst.«
    »Möglich.« Veit leerte die Tüte Milch bis zum letzten Tropfen. »Meine Nerven sind nicht aus Eisen.«
    »Meine auch nicht. Menz rief vorhin an. Du sollst sofort zurückrufen.« Sie zog sich vor dem Spiegel mit einem Lippenstift die Lippen nach. »Kann ich den Wagen mal eben haben? Will zum Markt.«
    »Bitte.«
    »Wo ist der Schlüssel?«
    »In meiner Cordjacke.«
    »Du bist ja wundervoll gesprächig. Macht richtig Spaß, sich mit dir zu unterhalten. Na denn, bis dann!«
    Er antwortete nicht, wartete, bis sie die Wohnung verlassen hatte und rief dann Menz an.
    »Veit – ich sollte … Mensch, altes Haus, man sollte es nicht sagen, und trotzdem: du kannst mir gratulieren.«
    »Wozu?«
    »Der alte Knacker, der Reimers, biss letzte Nacht ins Gras. Unfall auf der Autobahn. Da steigen meine Chancen. Sicher, ziemliche Scheiße die Sache. Aber verstehst du mich?«
    »Tu ich. Gratuliere!« Seine Stimme klang noch fest, aber von den Füßen kroch eisige Kälte in sein Gehirn hoch. Ihm fiel das Sprechen schwer. »Hast du zufällig mit Anna über Reimers gesprochen?« fragte er gedehnt.
    »So ist es. Mensch, Veit, sie ist ein richtiger Talisman! Wir sprachen noch darüber, dass allein sein Verschwinden mich retten könnte. Sie …«
    »Wann war das?«
    »Unser Gespräch?«
    »Ja.«
    »Warte mal! Ja – als Laue mit seinem Mädchen abdampfte«, sagte Menz.
    »Also, als ich zu euch kam. Noch was?«
    »Du sprichst so schleppend. Geht’s dir nicht gut?«
    »Doch doch! Ich mache jetzt Schluss. Tschüs!«
    Veit legte langsam den Hörer auf. In seinem Kopf hämmerten Laues Worte: »… genau zwei Uhr dreiunddreißig.« Er musste sofort erfahren, wann Reimers ums Leben gekommen war.
    In rasender Eile zog er sich an und hetzte die Treppen hinab zum Kiosk. Mit fliegenden Händen blätterte er den Lokalteil auf. Da!
    Prominenter Jurist tödlich verunglückt!
    Veit überflog den Text. Sein Blick saugte sich an dem Satz fest: Wenige Minuten nach halb drei.
    Die Zeitung flatterte zu Boden.
    Veit nahm seine Umwelt nicht mehr wahr. Reimers war kein Verkehrsopfer. Er war ermordet worden. Infam, nicht nachweisbar. Tückisch. Anna hatte auch diesen Menschen auf dem Gewissen.
    Gewissen? Gab es das für Anna? Über welche Macht verfügte das unselige Mädchen, das mit ihrem Wunschdenken Menschenleben vernichten konnte? Und wer würde der nächste sein?
    Er musste Klarheit gewinnen. Aber wer konnte ihm helfen? Er musste doch jedem wie ein Narr erscheinen. Jeder würde so reagieren wie Idusch im Seminar. Idusch! Wenn er sich ihm vorbehaltlos anvertraute, würde der Professor auch dann noch lachen?
    Veit suchte in seinen Taschen, fand fast acht Mark an Silbergeld, hastete zum nächsten Taxistand, und nannte die Adresse des Professors am Stadtrand. Aber ein Blick auf die Taxiuhr zeigte ihm bald, dass sein Geld nicht ausreichen würde. Als die Uhr fast acht Mark anzeigte, ließ er anhalten, bezahlte und stieg aus. Die letzte Strecke ging er zu Fuß. Es goss in Strömen. Veit bemerkte es nicht einmal.
    Voll bepackt mit Einkaufstüten kehrte Anna vom Markt zurück. Sie klingelte und stieg ärgerlich die Treppen hoch, als Veit nicht – wie sonst – herunterkam, um ihr beim Tragen zu helfen. Sie schloss die Wohnungstür auf und rief nach ihrem Freund. Als er sich nicht meldete, verstaute sie die Einkäufe und räumte weiter auf.
    Sie verstand Veit nicht mehr. Alle einstige Harmonie war zum Teufel. Diese idiotischen Halluzinationen entnervten sie allmählich. Er sollte wirklich mal zum Psychiater, dachte sie.
    Als es läutete, lächelte Anna. Veit! Wahrscheinlich hatte er nur eine Zeitung geholt. Ach, sie war auch überreizt.
    Froh öffnete sie die Tür.
    Es war nicht Veit. Gerhard Menz sah ihr strahlend entgegen.
    »Du?«
    »Unwillkommen?«
    Menz stellte ein großes Paket auf den Boden.
    Anna lachte. »Keine Spur. Ich dachte nur, es sei Veit. Komm ’rein!« Sie deutete auf das Paket.
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