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0144 - Nacht über Manhattan

0144 - Nacht über Manhattan

Titel: 0144 - Nacht über Manhattan
Autoren: Heinz Werner Höber
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völlig.
    Phil bekam als dritter oder vierter einen Fahrtauftrag. Er ging an mir vorbei, blieb einen Augenblick stehen, dann schüttelte er mir die Hand.
    »So long.«
    »So long, Phil«, sagte ich.
    Dann kam ich an die Reihe. Aufmerksam hörte ich zu:
    »344. Broadway. Ein Mann möchte hinüber nach Harlem.«
    Ich stutzte.
    Harlem!
    Unser Negerviertel. Wer wollte morgens um halb sechs nach Harlem? Ein Weißer? Weiße lassen sich tagsüber kaum in Harlem sehen. Und dann früh um halb sechs?
    Ich sah meine Pistole nach, bevor ich in meinen Wagen stieg. Da ich der letzte in der Bude war, konnte ich es tun, ohne aufzufallen.
    Ich fuhr den Broadway hinauf, fand die Hausnummer und wartete.
    Ein Mischling erschien auf der Str?.ße und kletterte in meinen Wagen. Sein dunkelgetöntes Gesicht verriet keine sonderliche Intelligenz. Das eingeschlagene Nasenbein verkündete, daß er schon Bekanntschaft mit harten Fäusten gemacht haben mußte.
    Ich hatte schon vor Beginn der Fahrt den Rückspiegel so eingestellt, daß ich ihn im Auge behalten konnte, ohne mich umdrehen zu müssen.
    Meine Augen wanderten ständig von der Straße zum Rückspiegel, vom Spiegel zur Straße und wieder hinauf zu dem Gesicht des Mischlings, das mir der Spiegel zeigte.
    Bis nach Harlem ist es ein schönes Stück Weg. Ich fuhr schneller, als eigentlich erlaubt war, aber ich wollte ihm auch in der Kurve keine Chance lassen, mich vielleicht anzugreifen, ohne sich selbst durch den führerlosen Wagen in höchste Gefahr zu bringen.
    Endlich kamen wir an seinem Ziel an. Ich habe vergessen, in welcher Straße es lag, aber es war ein finsteres Viertel.
    Als ich den Wagen anhielt, sah ich nur in den Rückspiegel. Im Augenblick, als er sich vorbeugte, warf ich mich nach vorn.
    Ich hörte, wie die hintere Tür aufging und die sanfte Stimme des Mischlings fragte:
    »Ist Ihnen nicht wohl, Sir?«
    Ich drehte mich um und richtete mich auf. Sein Gesicht war in besorgte Falten gelegt.
    Ich rappelte mich auf und brummte etwas von Magenkoliken. Der Mischling zahlte den Fahrpreis und wünschte mir gute Besserung.
    Ich wartete, bis er verschwunden war, dann wischte ich mir den Schweiß von der Stirn. Als ich'mir darauf eine Zigarette ansteckte, sah ich, daß meine Hände zitterten.
    ***
    Phil hatte sein Ziel ebenfalls am Broadway, wo er den Besucher eines Nachtlokals abholen sollte.
    Phil rümpfte die Nase, als er vor dem Lokal hielt. Es war eine Bude, die für gewisse Schau-Vorstellungen bekannt war, und Phil hatte nichts für so etwas übrig und verachtete die Leute, die dort ‘ne Menge Geld ausgaben.
    Er hupte zweimal kräftig und wartete.
    Plötzlich wurde die hintere Wagentür geöffnet, und ein Mann kletterte herein. Phil gab sich Mühe, sein Gesicht im Rückspiegel zu erkennen, aber über Manhattan lag das graue Zwielicht des Tages. Es war noch nicht hell genug, als daß man gut hätte sehen können, aber es war andererseits auch nicht dunkel genug, daß die Lichter der Straßenlaternen noch ihre durchdringende Leuchtkraft gehabt hätten.
    Er sah so gut wie nichts von dem Gesicht, nur eine graue, verwischte Fläche an den Stellen von Mund und Augen.
    »Wo darf ich Sie hinbringen?« fragte er.
    »Fahren Sie mich rauf zum Pier der Hudson River Day Line«, sagte der Fahrgast.
    »Okay.«
    Phil schnupperte. Ein eigenartiger Geruch lag in der Luft. Ob sich der Kerl parfümiert? dachte ich.
    Na, mich soll es nicht kümmern.
    Er fuhr an. Ab und zu blickte er in den Rückspiegel.
    Pier am Hudson, dachte er unter-.wegs. Ob da jetzt in aller Herrgottsfrühe schon ein Kahn liegt?
    Er warf einen kurzen Blick auf die Uhr.
    Fünf Uhr dreiundvierzig.
    Phil fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Sie waren trocken und rissig.
    Gleich kommt die kritische Minute, dachte er. Wenn ich anhalten muß. Solange ich fahre, bin ich ziemlich sicher. Der Mörder kann es sich nicht leisten, einem fahrenden Taxichauffeur die Gurgel durchzuschneiden. Der Wagen könnte von selbst an eine Hauswand steuern oder gegen einen anderen Wagen, was zum Verderben des Mörders führen könnte. Aber in der Minute, wo man anhalten muß, in diesen wenigen Sekunden…
    Phil hatte die schräg nach links abzweigende 125. Straße erreicht, die er benutzen wollte, um unter der Riverside Drive und dem Hudson Parkway hindurch auf den Pier zu kommen.
    Die beiden Unterführungen brachten es mit sich, daß er den Pier erst übersehen konnte, als er bereits dicht davor war.
    Auf dem ganzen Pier war kein Schiff zu
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