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0144 - Nacht über Manhattan

0144 - Nacht über Manhattan

Titel: 0144 - Nacht über Manhattan
Autoren: Heinz Werner Höber
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meiner Jacke mit der Taxi-Plakette sah er natürlich in mir den Kollegen.
    »Mein lieber Mann«, sagte er. »Du scheinst ja die Fahrerei als eine Art Hobby zu betreiben, daß du dich mit einem von unseren Schlitten zum Standort fahren lassen kannst.«
    »Klar«, grinste ich. »Ich bin ja schließlich ein direkter Sohn aus der sechzehnten Linie der Rockefellers.«
    Mein Kollege lächelte nur. Dann sagte er:
    »Ob uns morgen früh auch noch zum Lachen ist?«
    Mit einem Satz hatte er den ganzen Ernst der Situation zum Ausdruck gebracht.
    Der Rest der Fahrt verlief schweigsam, bis wir an einem Briefkasten vorbeikamen.
    »Halt einen Augenblick an«, sagte ich. »Ich muß noch eine Eilbotenkarte in den Kasten werfen.«
    Er nickte.
    Ich stieg aus und ließ die Karte in den Schlitz fallen. Sie war an Professor Reggin adressiert und hatte den kurzen Text: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag — Ihr Taxifahrer. Dann ging's weiter zum Union Square.
    Phil war bereits da. Drei weitere Kollegen vom FBI saßen ebenfalls schon in ihren Lederjacken mit der Taxiplakette an dem langen Tisch. Drei zivile Fahrer blieben dafür in dieser Nacht zu Hause.
    »Hallo!« sagte Renaldo Testi, der ebenfalls schon anwesend war.
    Ich erwiderte seinen Gruß. Wir tauschten ein paar gleichgültige Bemerkungen über das feuchte Wetter aus, dann senkte sich Stille über unsere Bude.
    Selbst Renaldo wußte keine Witze mehr.
    Der Betrieb lief langsam an. Mal eine Fahrt nach da, mal eine nach dort. Nichts Aufregendes. Nichts Besonderes.
    Gegen elf kam der Taxi-Boß selbst in seinem Cadillac angebraust. Er brachte eine Liste mit.
    Wir zeichneten Spenden für die Hinterbliebenen der ermordeten Kameraden.
    Dann war es wieder ruhig.
    Selten sprach einer ein Wort.
    Träge tickte die Wanduhr. Noch war es nicht die Stunde des Mörders, aber alle unsere Gedanken kreisten nur um ihn.
    Und dann kam die erste Überraschung dieser Nacht.
    Urplötzlich ging die Tür auf und ein Mann stapfte herein. Er strahlte über das ganze Gesicht. Unter dem Arm trug er ein Kästchen Zigarren Und eine kleine Flasche Whisky.
    Es war Joe.
    Er hatte mich sofort unter den Kollegen ausfindig gemacht und steuerte auf mich zu.
    »Hallo, Jerry!« sagte er. »Meine Frau läßt dich grüßen. Sie ist wohlauf. Unser Baby übrigens auch.«
    Er stellte freudestrahlend Zigarren und Whisky vor uns auf den Tisch.
    »Euer Baby?« fragte ich.
    Joe nickte mit dem ganzen Stolz des frischgebackenen Vaters.
    »Ein Junge. Kam heute morgen um halb neun mit lausig viel Verspätung, aber ohne besondere Umstände zu machen. Ich glaube, ich muß in Zukunft bei ihm nur ein bißchen mehr auf Pünktlichkeit sehen. Ansonsten wer acht Pfund und hat eine Stimme wie Caruso.«
    Wir lachten. Peinlich genau wurde der Whisky geteilt. Es kam nicht ganz ein volles Gläschen auf jeden, so daß wir keine Bedenken zu haben brauchten wegen unseres Führerscheins.
    Joe blieb eine Weile, dann verabschiedete er sich. Ich mußte ihm das Versprechen geben, Taufpate zu sein.
    (Ich tat‘s, aber ich sage Ihnen ehrlich, daß ich noch nie vor einer Tommy Gun so gezittert habe, wie mit so einem zerbrechlichen kleinen Wesen auf dem Arm, als wir Wochen später in der Kirche standen.)
    ***
    Die Nacht verging mit einigen harmlosen Fahrten. Gegen zwei Uhr mußte ich zwei reichlich betrunkene Matrosen aus einer Bar abholen und zum East River bringen. Als sie schon ausgestiegen waren, kamen sie plötzlich auf den Gedanken, mein Taxi wäre ein feindliches Schlachtschiff, daß sie erobern müßten.
    Ich erklärte ihnen den Unterschied zwischen einem Taxi und einem Schlachtschiff.
    Als sie mich verstanden hatten, lagen sie schlafend auf dem Kai, und mir taten die Knöchel weh.
    Ich fuhr zurück und kam gegen drei Uhr wieder in unserer Bude an.
    Es war zu der Zeit, wo am wenigsten Betrieb war. Die meisten Kollegen saßen herum. Sie waren noch nicht gesprächiger geworden. Ich setzte mich zu ihnen, rauchte eine Zigarette und blickte ab und zu hinauf zur Uhr, deren Zeiger erbarmungslos der Morgenstunde Bntgegenstrebten…
    ***
    In der Taxi-Zentrale wischten sich unsere G-men den Schweiß von der Stirn. Einige schoben den Kopfhörer ab und hielten sich für ein paar Sekunden nur eine Muschel ans Ohr gepreßt, um wenigstens mal für eine kurze Zeit den Druck des Bügels auf den Kopf loszuwerden.
    Alle dachten dasselbe, aber keiner sprach es aus.
    Es war endlich halb sechs geworden.
    ***
    Innerhalb weniger Minuten leerte sich unsere Bude
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