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0119 - Der Weiße Magier

0119 - Der Weiße Magier

Titel: 0119 - Der Weiße Magier
Autoren: Jason Dark
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Oberkörper. Die enge Hose, deren Beine dicht unter den Knien aufhörten, klebte auf der Haut.
    Jorge war ein kräftiger junger Mann, der sich seiner Haut zu wehren wußte, deshalb war er auch die Mutprobe eingegangen. Nun hatte er nur noch Angst.
    Er lief und lief. Weiter und tiefer in den Wald hinein. Der Weg wurde manchmal schmaler, so daß die Zweige der Bäume Jorges Körper streiften und er das Gefühl hatte, von den Händen längst verstorbener Menschen berührt zu werden.
    Dann sah er das Licht.
    Rechts von ihm und weiter voraus.
    Er verlangsamte seine Schritte, ging jetzt normal weiter und hielt seinen Blick unverwandt auf das Licht gerichtet.
    Es strahlte nicht hell, sondern war mehr ein düsteres, rötliches Glosen. Was bedeutete das? War das bereits das Ende des Wegs?
    Wenn ja, dann hatte er es geschafft, dann war er frei.
    Als erster – als einziger…
    Neue Hoffnung durchflutete ihn, und abermals beschleunigte er seine Schritte.
    Er näherte sich dem Licht und riß seine Augen weit auf, um besser sehen zu können.
    Diesmal glaubte er, einen Kreis oder wenigstens einen kreisförmigen Gegenstand zu sehen, der das Licht abstrahlte. Aber daneben standen weitere Lichtquellen. Er zählte vier.
    Waren es Laternen?
    Jorge konnte das nicht glauben. Wie sollten hier im Dschungel, wo alles noch so primitiv war, Laternen hinkommen? Die gab es nur im Ort und an der Küste, wo der feine weiße Sand sich bis zu den Felsen ausbreitete.
    Vorsichtig schritt er auf die erste Lichtquelle zu. Stille umgab ihn.
    Eine merkwürdige Ruhe, die meistens dann eintritt, wenn ein schreckliches Ereignis unmittelbar bevorsteht.
    Noch drei, vier Meter.
    Immer weiter näherte sich Jorge.
    Dann blieb er stehen. Seine Augen weiteten sich in grenzenlosem Entsetzen. Er hatte den Gegenstand erkannt.
    Es war ein Schrumpfkopf.
    ***
    Die alten Geschichten stimmten also doch. Caligro tötete seine Feinde und sammelte die Köpfe, nachdem sie präpariert worden waren. Dieser rötlich leuchtende Schrumpfkopf stand auf einer Stange dicht am Wegrand.
    Wie von einem Band gezogen, schritt Jorge näher. Ob er wollte oder nicht, er mußte sich den Kopf anschauen.
    Dicht davor blieb er stehen, verdrehte die Augen und blickte hoch.
    Der Schrumpfkopf bot einen grauenhaften Anblick.
    Er war um die Hälfte kleiner als ein normaler Schädel, die Haut war zusammengedrückt wie altes Pergamentpapier.
    Den Mund hatte er aufgerissen, und Jorge sah deutlich die nadelspitzen Zahnreihen. Die Zähne mußten abgefeilt worden sein. Auch die Augen standen offen. Aus ihnen drang ebenso das rote Licht wie aus der Mundhöhle. Wo dieses Licht seinen Ursprung hatte, war dem jungen Insulaner ein Rätsel.
    »Nein!« flüsterte er, »das kann nicht wahr sein…«
    Er wankte zurück. Er hatte plötzlich nicht mehr die Kraft, weiterzulaufen, der Anblick des Schädels war für ihn ein Schock gewesen.
    Wenn er den Weg weiterging, dann mußte er auch an den anderen Schädeln vorbei und erlebte den gleichen Horror noch ein paarmal.
    Jorge schluckte.
    Er schaute zurück.
    Dunkelheit, tiefschwarze Finsternis, die keinen Ausgang freiließ.
    Es gab für ihn nur eine Alternative.
    Er mußte quer durch den Wald laufen.
    Zum Glück wurde der Weg nur an einer Seite von den auf Stangen steckenden Schädeln flankiert, auf der linken Seite wuchs der dichte Urwald bis an den Rand.
    Jorge drehte sich um, lief die beiden Schritte bis zum Waldrand und wollte sich in das Unterholz werfen.
    Es blieb bei dem Versuch.
    Plötzlich waren die Pflanzen wie lange Gummiarme, die ihn festhielten, an ihm zerrten und ihn nicht mehr losließen.
    Jorge schrie, schlug um sich und geriet in höchste Panik.
    Da schleuderten ihn die Arme zurück.
    Der junge Mann krachte mit dem Rücken zuerst auf den Weg, überschlug sich und blieb dicht neben einer Schädelstange liegen.
    Er war verzweifelt. Ein tiefes Schluchzen drang aus seiner Kehle, mühsam stemmte er sich hoch und stand wankend auf den Füßen.
    Er mußte den Weg nehmen, vorbei an den Schädeln. Es gab doch nur diese eine Möglichkeit.
    Er taumelte los, erreichte die zweite Stange, auf deren Spitze wiederum ein leuchtender Schrumpfkopf saß, nein, sitzen sollte.
    Die Stange war leer.
    Wie ein langer, dünner Finger ragte sie vor Jorge hoch. Und auch auf den anderen Stangen hockten keine Schrumpfköpfe mehr. Sie waren ebenfalls verschwunden.
    Wohin?
    Fieberschauer schüttelten Jorge, seine Zähne klapperten aufeinander, die Angst wurde übermächtig.
    Vorsichtig
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