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01 - Gott schütze dieses Haus

01 - Gott schütze dieses Haus

Titel: 01 - Gott schütze dieses Haus
Autoren: Elizabeth George
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bedeutungslos. Architektur interessierte ihn, und hier hatte sie die tollsten Blüten getrieben.
    »Herr im Himmel, ist das eine Pracht«, murmelte er, den Kopf nach rückwärts geneigt, um die Gipfel und Schluchten des Bahnhofsgebäudes besser betrachten zu können. »Wenn man das Ding ein bißchen säubern würde, wäre es der reinste Palast.« Er schaute sich abwesend um, so als wollte er den nächsten Passanten anhalten, um ihm einen Vortrag über die üblen Auswirkungen jahrzehntelanger Kohleheizung auf das alte Gebäude zu halten. »Es würde mich wirklich interessieren, wer -«
    Ein Polizeifahrzeug raste plötzlich mit heulender Sirene die Caledonian Road hinunter und bog mit quietschenden Reifen in die Euston Road ein. Mit einem Schlag befand sich Pater Hart wieder in der Wirklichkeit. Er schüttelte sich innerlich, zum Teil aus Irritation, zum größeren Teil jedoch aus Furcht. Seine Gedanken gingen jetzt immer häufiger auf Wanderschaft. Und das signalisierte doch das Ende, nicht wahr? Er schluckte einen quälenden Kloß der Angst hinunter und bemühte sich wieder um Entschlossenheit. Sein Blick fiel auf den schwarzen Balken der Schlagzeile der Morgenzeitung. Neugierig trat er näher. »Neuer Mord am Vauxhall-Bahnhof!«
    Mord! Er schreckte vor dem Wort zurück, sah sich um und gönnte sich einen Blick auf den Bericht, überflog ihn hastig, aus Sorge, genauere Lektüre könnte ein Interesse am Makabren verraten, das einem Geistlichen schlecht anstand. Wörter, nicht Sätze fing sein Blick ein. ». aufgeschlitzt ... teilweise entkleidete Leichen ... Arterien ... durchtrennt ... männliche Opfer ...«
    Er schauderte, faßte sich an den Hals, seiner eigenen Verletzlichkeit bewußt. Selbst ein Priesterkragen war kein sicherer Schutz vor dem Messer eines Mörders. Es würde suchen. Es würde zustechen.
    Diese Vorstellung wirkte vernichtend auf ihn. Er wich leicht taumelnd vor dem Zeitungsstand zurück und erblickte zum Glück keine zehn Meter entfernt das U-Bahn-Schild. Es half seinem Gedächtnis wieder auf die Beine.
    Er kramte einen Plan der öffentlichen Verkehrsverbindungen aus seiner Tasche und studierte mit peinlicher Genauigkeit das zerknitterte Blatt Papier. Die Circle Line bis St. James's Park, sagte er sich vor. Dann noch einmal mit Nachdruck: »Die Circle Line bis St. James's Park. Die Circle Line bis St. James's Park.«
    Wie einen gregorianischen Gesang leierte er diesen Satz vor sich hin, während er die Treppe hinunterstieg. Er hielt Metrum und Rhythmus bis zum Schalter und stellte seinen Singsang erst ein, als er im Zug Platz genommen hatte. Dort musterte er die anderen Fahrgäste, stellte fest, daß zwei alte Damen ihn mit unverhohlener Neugier beobachteten, und neigte verzeihungheischend den Kopf.
    »Verwirrend«, erklärte er und versuchte es mit einem zaghaft freundschaftlichen Lächeln. »Man kommt so durcheinander.«
    »Wirklich die unmöglichsten Typen, sag' ich dir, Pammy«, bemerkte die jüngere der beiden Frauen zu ihrer Begleiterin. Sie warf dem Geistlichen einen routinierten Blick eisiger Verachtung zu. »Und jede Maske ist ihnen recht, hab' ich gehört.« Die wäßrigen Augen unverwandt auf den verwirrten Pater Hart gerichtet, zog sie ihre Freundin vom Sitz hoch, hielt sich an dem Pfosten bei der Tür fest und drängte sie an der nächsten Haltestelle laut zum Aussteigen.
    Pater Hart sah ihnen resigniert nach. Man kann es ihnen nicht verübeln, dachte er. Man durfte nicht blind vertrauen. Niemals. Und das zu sagen, war er nach London gekommen: daß es nicht die Wahrheit war. Es sah nur wie die Wahrheit aus. Ein Toter, ein junges Mädchen und ein blutiges Beil. Aber es war nicht die Wahrheit. Er mußte sie überzeugen und ... Ach Gott, er hatte so wenig Talent für so etwas. Aber Gott war auf seiner Seite. An diesen Gedanken klammerte er sich. Was ich tue, ist recht, was ich tue, ist recht, was ich tue, ist recht. Dieser neue Singsang führte ihn direkt vor die Tore von New Scotland Yard.

    »Es sollte mich wundern, wenn uns da nicht wieder eine Konfrontation zwischen Kerridge und Nies blühte«, schloß Superintendent Malcolm Webberly und zündete sich eine dicke Zigarre an, von der augenblicklich unangenehme Qualmwolken in die Luft stiegen.
    »Mensch, Malcolm, mach wenigstens das Fenster auf, wenn du das Ding schon rauchen mußt«, sagte Chief Superintendent Sir David Hillier. Er war Webberlys Vorgesetzter, aber er ließ seinen Leuten in der Führung ihrer jeweiligen Abteilungen
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