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01 - Die verbotene Oase - Mein neues Leben im Harem der Frauen

Titel: 01 - Die verbotene Oase - Mein neues Leben im Harem der Frauen
Autoren: Choga Regina Egbeme
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die der Krankheit einen verhängnisvollen Nährboden geliefert hatte. Die von Papa David ins Leben gerufene Kirche war letztendlich daran zerbrochen. Das war auch einer der Gründe, weshalb wir acht Monate zuvor aus dem Harem in Lagos fortgegangen waren.
    Dieses Weihnachtsfest führte mir auf grausame Weise vor Augen, dass wir dem Schicksal nicht entkommen konnten. Jede von uns trug ihr Los stets mit sich. Immer wieder ertappte ich mich dabei, wie ich Josh unauffällig beobachtete. Ich sah seine Freude, doch mein Herz schmerzte vor Wehmut.
    Kaum etwas ist so schwer auszuhalten wie das Ineinanderfließen von Glück und Trauer. Beides scheint nicht in ein Herz hineinzu-passen.

Der Tod eines Kindes
    Der fünfjährige Jo überlebte noch die Woche nach Weihnachten. Die Naturheilmittel verliehen ihm die letzte Kraft, um sich in unsere Mitte setzen zu können. Er genoss die Stunden, die er mit uns erleben durfte. Sein Zustand hatte sich vor den anderen nicht verbergen lassen. Wir taten alles, um den Todgeweihten nicht fühlen zu lassen, wie sehr wir darunter litten.
    Es war der Silvestermorgen des Jahres 2000, ein Sonntag. Jeden Sonntagmorgen richteten wir in unserer kleinen Kirche einen christlichen Gottesdienst aus und teilten danach mit den bedürftigen Kindern aus der Nachbarschaft unsere einfache Kost. Zwar kamen nicht viele Menschen, aber ihre Anwesenheit war eine willkommene Abwechslung für uns, die wir doch recht abgeschieden lebten. Niemals fragte jemand von ihnen uns über unsere selbst gewählte Isolation aus. Sie beteten mit uns, manche gingen gleich danach wieder, andere nahmen zusammen mit ihren Kindern unser Essen ein, dankten und verließen uns. Sie kannten diese Tradition aus den Zeiten, als die Farm noch zur Kirche meines Vaters gehört hatte. Obwohl wir selbst nicht viel hatten, führten wir diesen Brauch seit unserer Rückkehr nach Jeba fort.
    Für den kleinen Jo war ausgerechnet an diesem Morgen die Stunde des Abschieds gekommen. Efe lag apathisch auf ihrer Matte. Die Angst, ihr Kind zu verlieren, raubte ihr jene Kraft, die ihr Sohn in diesen Minuten so dringend brauchte. Die Augen in Jos schmalem Gesicht waren eingefallen. Er hielt sie die ganze Zeit über geschlossen.
    Ich sehe im Tod nicht den feigen Dieb, der das Leben stiehlt, sondern den Erlöser, der uns hilft, eine neue Erfahrung zu machen. Die Christen nennen es Auferstehung. Ähnlich dem Müden, der nach erquickendem Schlaf eine neue Tagesarbeit beginnt. Leider habe ich schon früh in meinem Leben Erfahrungen mit dem überraschend zugreifenden Tod gemacht und kenne die Leiden derjenigen, die zurückbleiben. Wir versuchen zu verstehen. Doch unser Denken kennt nur Anfang und Ende, keine Unendlichkeit. Meiner Überzeugung nach bedeutet Leben jedoch genau dies: Wir durchschreiten viele Phasen der Erkenntnis. Was am Ende steht, mag wohl mit Unendlichkeit zu tun haben.
    Wer geht, hat es leichter, hatte meine Mutter einmal zu mir gesagt. Ich wollte mich jetzt an diese Einsicht halten, streichelte Efes Hände und setzte mich neben Jos Schlafmatte. Bisi hatte es gut gemeint mit dem fiebernden Jo, ihn mit kühlenden Tüchern bedeckt. Nun nahm ich sie alle fort, trocknete das Kind und streichelte sanft seine Arme von den Schultern bis zu den Fingerspitzen.
    Es war viel zu dunkel und stickig in dem Raum; ich bat Bisi die Fensterläden zu öffnen, um die Morgensonne hereinzulassen. Ihre milden Strahlen fielen auf Jo.

    Der kleine Junge öffnete blinzelnd die Augen und lächelte so leicht, dass es kaum zu erkennen war.
    „Die Sonne erwartet dich. Sie ist so groß, dass sie alle deine Schmerzen aufnimmt. Und sie ist so stark, dass sie alles verbrennt, was dir wehtut.“ Ich sprach nicht leise, sondern mit kräftiger Stimme, in der alle Zuversicht lag, die ich aufbrachte. Auch nahm ich den Kleinen nicht in die Arme, um ihn an mich zu pressen. Er sollte frei sein, sich lösen für einen Weg, auf dem ihn niemand begleiten konnte. Nur seine Hand hielt ich. Sie war eiskalt.
    „Ich sehe die Sonne“, sagte das Kind.
    „Die Strahlen, die du fühlst, schickt sie nur dir. Sie befreit deinen Körper von allem, was wehtut. Merkst du, wie es weggeht? Du fühlst dich leichter. Es ist ein bisschen, als ob du zu schweben beginnst. Kannst du es spüren?“
    Jo bewegte den Kopf ein klein wenig. Es sah aus, als ob er nickte.
    „Ich hatte einmal einen Bruder“, begann ich, „er hieß wie du: Jo. Er war schon ein großer Mann, als ich ihn kennen lernte, und sehr stark.
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