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01 - Die verbotene Oase - Mein neues Leben im Harem der Frauen

Titel: 01 - Die verbotene Oase - Mein neues Leben im Harem der Frauen
Autoren: Choga Regina Egbeme
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lauschte, als sie fortfuhr: „Ich brachte einen Jungen zur Welt, ziemlich genau neun Monate nach der Vergewaltigung. Ich wusste, dass er der Sohn von Felix war. Deshalb nannte ich ihn Jo. So wie meinen Bruder, den der Vater meines Kindes nur wenige Tage vor dessen Zeugung ermordet hatte.“
    Trotz der Dunkelheit sah ich ein flüchtiges Lächeln über Efes Züge huschen.
    „Ihr haltet das für verrückt, nicht wahr?“, fragte Efe. „Doch ich habe in meinem kleinen Jo eine Wiedergutmachung des Schicksals gesehen. Der Mann, der mir den Bruder genommen hatte, gab ihn mir auf diese Weise wieder zurück.“
    In meinem Land rückt ein Mörder die Leiche seines Opfers niemals wieder heraus. Denn damit würde er seine Schuld eingestehen.
    In jener Nacht, in der Felix meinen Halbbruder Jo getötet hatte, hatte er sich geweigert, gemeinsam mit mir nach dem Leichnam zu suchen. In diesem Zusammenhang leuchteten Efes Worte mir durchaus ein: Felix hatte Jo wieder hergegeben. Allerdings in einem höheren Sinn, denn seine Leiche blieb unauffindbar. Mein Freund und Bruder Jo erhielt deshalb auch nie ein Grab. In unserer Kapelle existierte unterhalb des gekreuzigten Jesus, den Jo einst aus dunklem Holz gefertigt hatte, nur eine kleine geschnitzte Tafel, die Jo Umukoro ehrte.
    Während ich meinen Erinnerungen nachgehangen hatte, hatte Efe geschwiegen. „Mein Junge war von Anfang an kränklich, allerdings war es nie lebensbedrohlich. Als er zum ersten Mal eine Lungenentzündung bekam, brachten wir ihn ins Krankenhaus. Da war er gerade mal drei Jahre alt. Die Ärzte fanden schnell heraus, dass er HIV-positiv war. Papa Sunday ist kein gebildeter Mann; er wusste nicht, dass der kleine Jo diese Infektion nur durch mich bekommen haben konnte. Das Krankenhaus ließ einen Test machen, der meinen Verdacht bestätigte. Ich selbst hatte zum Glück keine Symptome. Doch nachdem ich Bescheid wusste, konnte ich meine Ehe nicht mehr so fortsetzen, wie mein Mann es erwartete. Ein weiteres Jahr verging, bis ich ihm gestand, was geschehen war.“
    Papa Sunday wies Efe aus dem Haus. Und das, obwohl sie an ihrem Schicksal schuldlos war. Es ging schlicht und ergreifend um seine Ehre.
    Für Efe war jetzt wichtig, dass eine stabile Gemeinschaft sie schützte. Mama Bisi hatte ihr einziges Kind zurückbekommen, das ihr im Alter noch geblieben war. In unserer Gemeinschaft gab es feste Regeln. So wurden weitreichende Beschlüsse nur einstimmig gefasst. Das bedeutete, ein neues Mitglied musste von allen akzeptiert werden. Es war nicht an mir, den anderen diese Frage zu stellen. Bisi, unsere Älteste, musste es tun. Nicht zuletzt aus diesem Grund hatte Efe ihre Geschichte vortragen sollen.
    Niemand verweigerte meiner Schwester den Beistand unserer Gemeinschaft.
    Ich nahm Efes Hände. „Wir können dir deine Kinder nicht ersetzen“, sagte ich,
    „aber wir sind für dich da und froh, dich hier zu haben. Versuch nach vorn zu blicken, und vergifte dein Leben nicht mit Fragen, auf die es keine Antwort gibt.“

    Unter Tränen fragte sie mich: „Woher nimmst du nur die Kraft, Choga? Du bist doch selber krank.“
    „Für uns ist sie so stark“, sagte Mama Ada. „Ihr Vater hat sie „Gott hat mich gemacht“ genannt. Das ist eine Verantwortung. Von ihrer Mutter wurde sie Regina genannt, die Königin. Sie hat ihre Wurzeln in zwei Welten, in Deutschland und in Afrika. Aus diesen unterschiedlichen Quellen schöpft sie Kraft.“
    Ich werde nicht gerne gelobt und mag es nicht, im Mittelpunkt zu stehen. Was ich tue, geschieht aus dem Wunsch heraus, eine Aufgabe zu haben. Ich muss meinem Sohn ein Zuhause geben, in dem er sich so behütet fühlen kann wie ich, als ich ein Kind war. Im Harem meines Vaters habe ich erfahren, wie wichtig Zusammenhalt ist.
    Daran richte ich mein Leben aus.
    Efe betrachtete das Stückchen Holz in ihren Händen. „Früher haben Jo, du, ich und unsere Schwester Jem Madonnen geschnitzt, die du auf dem Markt verkauft hast. Weißt du noch, Choga?“ Mehr als zehn Jahre lagen diese nahezu unbeschwerten Zeiten zurück! „Jetzt möchte ich Jos liebes kleines Gesicht unzählige Male schnitzen. Er hatte nicht die Gelegenheit, die Welt zu sehen.
    Aber es wäre schön, wenn andere von ihm wüssten. Was hältst du davon?“
    Natürlich gefiel mit Efes Vorschlag. Vielleicht könnte sie auch meinem Sohn Joshua das Schnitzen beibringen. Im Moment traute ich mich nicht, ihr das vorzuschlagen. Efes Narben waren viel zu frisch.

Kleine Schritte
    In den
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