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01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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kleinen Siegfried.
    Gernot wagte nicht zu fragen, was geschehen war, denn was in Etzels Gesicht zu lesen stand, war an Antwort wahrlich genug. So standen sie einander gegenüber, schweigend, nur vom fröhlichen Glucksen des Kindes abgelenkt. Zwei Männer, so unterschiedlich in den Seelen, aber um dieselben Lieben weinend.
    Schließlich reichte Etzel seinen Stiefsohn Siegfried an dessen Onkel. »Nimm das Kind, und bring es fort. Burgunder haben mein Reich heute geschändet, und würde ich im Geist meiner Väter handeln - ich müsste dich und den Knaben töten, nur um dieses faule Blut auf alle Zeiten aus der Welt zu bannen.«
    Vorsichtig fasste der Prinz den Säugling, und in der kleinen Hand sah er etwas funkeln. Es war der Ring, den Siegfried wie ein Spielzeug hielt.
    »Ich habe die Legenden über das Gold gehört«, erklärte Etzel. »Und wenngleich ich nicht an sie glaube, bin ich doch nicht bereit, das Schicksal herauszufordern.«
    »Der Ring ist die Wurzel allen Übels«, flüsterte Gernot und entwand dem Kind das Gold, worauf es gleich zu schreien begann.
    Etzel schüttelte den Kopf. »Glaubt das, wenn Ihr hofft, dadurch den Blick auf all die Toten ertragen zu können.«
    Es waren alle Worte gesprochen, und keine Verabschiedung wäre weniger als Heuchelei gewesen, also drehte sich Gernot um und machte sich mit der Flagge, dem Ring und dem Kind zurück auf den Weg zum Schiff.
     
     
14
     
Gernot und das Herz der Gerechtigkeit
     

     
    In den frühen Morgenstunden, als Worms noch schlief, ritt Gernot in die Stadt ein. Die Kapuze seines Mantels hatte er tief ins Gesicht gezogen, und nur die Bäcker, die schon unterwegs waren, sahen ihn mit einem Bündel durch die Straßen auf die Burg zureiten, ohne ihn jedoch zu erkennen. Die Wachen am Tor hielten ihm Speere entgegen, die er mit leisem Wort zur Seite wandte.
    Die Burg lag wie im Schlaf, als warte sie auf die Rückkehr ihres Königs, um ihn ausgeruht begrüßen zu können. Gernot war schnell geritten, um der schrecklichen Nachricht voraus zu sein, und er vermied es, sich mit irgendjemandem auf ein Gespräch einzulassen, während er mit dem Kind im Arm den Weg zu Elsas Zimmer einschlug.
    Er fand auch sie noch schlafend vor, und fast hatte er Skrupel, sie zu wecken. Er gönnte sich ein paar Augenblicke, ihr liebliches Gesicht zu bewundern, das von Sorgen unbehelligt selig entspannt war. Dann küsste er sie auf die Wange, und ohne die Augen zu öffnen, lächelte Elsa.
    »Ich habe gerade von dir geträumt - wie jede Nacht.«
    Als er sie nicht glücklich in die Arme schloss, setzte sie sich auf. Es genügte der Blick in seine müden Augen und auf das Kind in seinem Arm, um genügend Antworten zu bekommen, die sie tief erschreckten.
    »Der Traum ist vorbei«, flüsterte Gernot heiser, den der lange Ritt ausgezehrt hatte.
    Sie sprang aus ihrem Bett und umarmte ihn vorsichtig, um das Baby nicht zu fest zu drücken. »Mein Liebster, sprich, bevor die Angst mich frisst.«
    Er legte den rechten Arm um sie, und schwere Tränen befeuchteten ihr Nachthemd. »Alles ist vorbei. Vier Reiche erleben die Sonnenscheibe heute ohne König, und auch Burgund ist darunter.«
    Sie sah ihn an, leise verzweifelnd. »Gunther?«
    Er nickte schwer. »Und meine geliebte Schwester. Und jeder Soldat, der mit uns marschierte.«
    Elsa runzelte die Stirn. »Aber wie konnte Etzel . . . «
    »Nicht Etzel«, unterbrach Gernot. »Burgund suchte Burgunder Blut in der Hochzeitsnacht in Gran. Kriemhild und Gunther fanden den Tod aneinander.«
    Der kleine Junge in seinem Arm regte sich, müde die Augen öffnend. Elsa nahm ihn und drückte ihn behutsam an die Brust. »Dann ist die Frage, wessen Kind dies ist, leicht zu beantworten.«
    Von der Verantwortung für den winzigen Körper befreit, konnte Gernot sich endlich in einen Stuhl fallen lassen. »Kein anderes Kind hätte den Ritt hierher überlebt. Siegfried ist sein Name. Und sein wird die Rache werden, kaum dass er laufen kann.«
    Entsetzt schüttelte Elsa den Kopf. »Nein, das darf nicht sein. Die Gier, der Wahn, das Gold - es endet heute, hier!«
    Der Prinz, den die letzten Tage um Jahre hatten altern lassen, zog ein Schmuckstück aus seiner Tasche. Es war der Ring. »Sein Erbe.«
    Er wollte ihn ihr geben, doch sie hob abwehrend die Hand. »Lass das verfluchte Geschmeide nicht in seine Nähe.«
    Unsicher steckte Gernot den Ring wieder ein. »Ich weiß nicht, was nun zu tun ist. Ich hatte gehofft, Burgund würde mir die Antwort geben, aber
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