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01_Der Fall Jane Eyre

01_Der Fall Jane Eyre

Titel: 01_Der Fall Jane Eyre
Autoren: Jasper Fforde
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hatte. Von hinten
    schrie jemand: »Geldgeile Schlampe!«, und die Familie Mutlar rannte
    die Treppe hinunter, um den Beschimpfungen zu entkommen, die man
    in einer Kirche so noch nie vernommen hatte. Einer der Trauzeugen
    benutzte das Durcheinander dazu, um eine Brautjungfer zu küssen; die
    quittierte seine Bemühungen mit einer schallenden Ohrfeige.
    Ich lehnte mich gegen den kalten Stein der Kirchenmauer und
    wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Obwohl ich wußte, daß es
    eigentlich nicht richtig war, lachte ich. Briggs zwängte sich durch die
    aufgebrachte Menschenmenge und lüftete höflich den Hut.
    »Guten Tag, Miss Next.«
    »Eine wunderschönen guten Tag, Mr. Briggs! Wie, um alles in der
    Welt, kommen Sie hierher?«
    »Die Rochesters haben mich geschickt.«
    »Aber ich habe das Buch doch erst vor drei Stunden verlassen!«
    Mrs. Nakijima fuhr dazwischen. »Sie haben es kaum zwölf Seiten
    vor Schluß verlassen. In dieser Zeit sind in Thornfield über zehn Jahre
    vergangen; Zeit genug, um alles genau zu planen!«
    »Thornfield?«
    »Ja, sie haben es wieder aufgebaut. Seit mein Mann im Ruhestand
    ist, bewirtschaften wir das Haus. Weder er noch ich werden im Roman
    erwähnt, und Mrs. Rochester ist sehr daran gelegen, daß dem auch so
    bleibt; ein weitaus angenehmeres Leben als in Osaka, und noch dazu
    viel einträglicher als die Touristikbranche.«
    Mir fehlten die Worte.
    »Mrs. Jane Rochester hat Mrs. Nakijima gebeten, mich
    hierherzubringen, um Sie zu unterstützen«, bemerkte Mr. Briggs. »Sie
    und Mr. Rochester wollten Ihnen helfen, wie Sie ihnen geholfen
    haben. Sie wünschen Ihnen Glück und Gesundheit für die Zukunft und
    danken Ihnen für Ihre zeitige Intervention.«
    Ich lächelte. »Wie geht es den beiden?«

    - 372 -
    »Ausgezeichnet, Miss«, antwortete Briggs vergnügt. »Ihr
    Erstgeborener ist jetzt fünf; ein braver, rundum gesunder Junge, das
    getreue Ebenbild seines Vaters. Vergangenen Frühling hat Jane eine
    wunderschöne Tochter zur Welt gebracht. Sie haben sie Heien
    Thursday Rochester getauft.«
    Ich sah zu Landen, der am Eingang stand und seiner Tante Ethel zu
    erklären versuchte, was hier vor sich ging.
    »Ich muß mit ihm sprechen.«
    Ich war wieder allein. Mrs. Nakijima und der Anwalt waren nach
    Thornfield entschwunden, um Jane und Edward den erfolgreichen
    Vollzug ihrer Mission zu melden.
    Als ich näher kam, setzte sich Landen auf die Kirchentreppe, zog die
    Nelke aus seinem Knopfloch und schnupperte nachdenklich daran.
    »Hallo, Landen.«
    Landen blickte auf und blinzelte. »Ach«, sagte er. »Thursday. Ich
    hätte es mir denken können.«
    »Darf ich mich zu dir setzen?«
    »Tu dir keinen Zwang an.«
    Ich hockte mich neben ihn auf die warmen Kalksteinstufen.
    »Steckst du hinter der ganzen Sache?«
    »Nein, ausnahmsweise einmal nicht«, antwortete ich. »Ich muß
    gestehen, daß ich hierhergekommen bin, um die Hochzeit zu
    verhindern, aber dann hat mich der Mut verlassen.«
    Er sah mich an. »Warum?«
    »Warum? Na ja, weil … weil ich dachte, daß ich eine bessere Mrs.
    Parke-Laine abgebe als Daisy. Nehme ich an.«
    »Das weiß ich«, rief Landen, »und ich bin ganz deiner Meinung. Ich
    wollte wissen, warum dich der Mut verlassen hat. Schließlich jagst du
    Verbrechergenies, leistest hochriskante SpecOps-Arbeit, verstößt
    munter gegen so ziemlich jede Regel, um unter schwerem
    Artilleriesperrfeuer stehende Kameraden zu retten, und dann …«

    - 373 -
    »Verstehe. Weiß auch nicht. Vielleicht ist es leichter, diese
    Entscheidungen auf Leben und Tod zu fällen, wenn es nur Schwarz
    und Weiß gibt. Jedenfalls komme ich damit problemlos klar.
    Emotionen dagegen, tja … die sind eine Grauzone, und mit
    Zwischentönen habe ich so meine Schwierigkeiten.«
    »In dieser Grauzone lebe ich jetzt seit zehn Jahren, Thursday.«
    »Ich weiß, und das tut mir leid. Es ist mir schwergefallen, meine
    Gefühle für dich mit deinem vermeintlichen Verrat an Anton zu
    vereinbaren. Das war wie ein emotionales Tauziehen, und ich war das
    kleine Tüchlein in der Mitte, zwischen den beiden Parteien, und
    konnte mich nicht rühren.«
    »Ich habe ihn auch geliebt, Thursday. Er war so etwas wie ein
    Bruder für mich. Aber irgendwann mußte ich das Seil loslassen.«
    »Ich habe auf der Krim etwas verloren«, murmelte ich, »aber ich
    glaube, ich habe es wiedergefunden. Meinst du, wir haben die Zeit, es
    noch einmal zu versuchen?«
    »In letzter Minute, was?« sagte er grinsend.
    »Nein«, erwiderte
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