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01_Der Fall Jane Eyre

01_Der Fall Jane Eyre

Titel: 01_Der Fall Jane Eyre
Autoren: Jasper Fforde
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ich, »eher drei Sekunden vor zwölf!«
    Er küßte mich zärtlich auf den Mund. Es war eine warme, vertraute
    Empfindung, wie wenn man nach einem langen Spaziergang durch
    den Regen nach Hause kommt und im Kamin ein Feuer prasselt. Mir
    kamen die Tränen, und ich schluchzte leise in seinen Kragen, während
    er mich in den Armen hielt.
    »Verzeihung«, sagte der Pfarrer, der auf einen geeigneten Moment
    gewartet hatte. »Ich störe nur ungern, aber um halb vier habe ich die
    nächste Trauung.«
    Entschuldigungen murmelnd standen wir auf. Die Hochzeitsgäste
    warteten noch immer auf eine endgültige Entscheidung. Fast alle
    wußten von Landen und mir, und nur wenige, wenn überhaupt, hielten
    Daisy für die bessere Partie.
    »Willst du?« flüsterte mir Landen ins Ohr.
    »Will ich was?« fragte ich und unterdrückte ein Kichern.

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    » Dummkopf! Willst du mich heiraten?«
    »Hmm«, sagte ich, und mein Herz machte einen Lärm wie die
    Kanonen auf der Krim. »Darüber muß ich nachdenken …«
    Landen runzelte fragend die Stirn.
    »Ja! Ja, ja! Ich will, ich will, ich will!«
    »Endlich!« seufzte Landen. »Was muß ich nicht alles auf mich
    nehmen, um die Frau meines Herzens zu kriegen!«
    Wir küßten uns noch einmal, diesmal etwas länger; so lange, bis der
    Pfarrer schließlich auf seine Uhr sah und Landen auf die Schulter
    tippte.
    »Danke für die Generalprobe«, sagte Landen und schüttelte dem
    Pfarrer die Hand. »In vier Wochen sehen wir uns wieder!«
    Der Pfarrer zuckte die Achseln. Dies war die wohl absurdeste
    Hochzeit seiner Laufbahn.
    »Freunde«, verkündete Landen den verbliebenen Gästen, »ich
    möchte meine Verlobung mit dieser wunderschönen SpecOps-Agentin
    namens Thursday Next bekanntgeben. Wie ihr wißt, hatten wir die
    eine oder andere Meinungsverschiedenheit, aber das ist jetzt fast
    vergessen. In meinem Garten steht ein Festzelt, es gibt jede Menge zu
    essen und zu trinken, und wenn mich nicht alles täuscht, spielt ab
    sechs Uhr Holroyd Wilson. Da es eine Schande wäre, das alles zu
    vergeuden, schlage ich der Einfachheit halber vor, daß wir den Anlaß
    ändern! Wir feiern jetzt unsere Verlobung!«
    Die Gäste stimmten begeistert zu und verteilten sich auf die
    verfügbaren Transportmittel. Landen und ich nahmen meinen Wagen
    und machten einen kleinen Umweg. Wir hatten uns viel zu erzählen,
    und die Party … nun ja, die kam auch eine Weile ohne uns aus.

    Die Fete dauerte bis vier Uhr morgens. Ich trank zuviel und fuhr mit
    dem Taxi ins Hotel zurück. Landen bekniete mich, doch über Nacht
    zu bleiben, aber ich erklärte ihm etwas kokett, da müsse er bis nach
    der Hochzeit warten. Ich erinnere mich nur noch, daß ich in mein
    Hotelzimmer zurückkam, alles andere ist vergessen; ich lag in tiefem

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    Koma, bis um neun Uhr am nächsten Morgens das Telefon schrillte.
    Ich war halb angezogen, Pickwick schaute Frühstücksfernsehen, und
    mein Kopf tat so weh, als ob er jeden Moment platzen wollte.
    Es war Victor. Er klang nicht besonders gut gelaunt, aber
    Höflichkeit war eine seiner Stärken. Er erkundigte sich nach meinem
    unwerten Befinden.
    »Es ging mir schon mal besser. Wie läuft’s im Büro?«
    »Mäßig«, antwortete Victor mit einer gewissen Zurückhaltung in
    der Stimme. »Die Goliath Corporation will sich mit Ihnen über Jack
    Schitt unterhalten, und die Brontë-Gesellschaft ist stocksauer, weil Sie
    das Buch, ich zitiere, ›versaut‹ haben. War es denn unbedingt nötig,
    Thornfield niederzubrennen?«
    »Das war Hades …«
    »Und Rochester? Blind und mit verstümmelter Hand? Ich nehme an,
    das war auch Hades?«
    »Ähm, ja.«
    »Da haben Sie wahrhaftig einen ziemlich kapitalen Bock
    geschossen, Thursday. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie
    vorbeikommen und mit den Brontë-Leuten sprechen könnten. Der
    gesamte Vorstand ist hier bei mir, und die Herrschaften wollen Ihnen
    weiß Gott keinen Orden anheften.«
    Es klopfte an der Tür. Ich versprach Victor, so schnell wie möglich
    dort zu sein, und stand schwankend auf.
    »Ja, bitte?« rief ich.
    »Zimmerservice!« antwortete eine Stimme vor der Tür. »Ein Mr.
    Parke-Laine hat Kaffee für Sie bestellt!«
    »Moment!« sagte ich und versuchte Pickwick ins Bad zu scheuchen;
    Haustiere waren im Hotel strengstens verboten. Anders als sonst
    wirkte er leicht aggressiv; hätte er Flügel gehabt, hätte er vermutlich
    wütend damit geschlagen.

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    »Mach … jetzt … bitte … keine … Schwierigkeiten!« ächzte
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