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01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut

Titel: 01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
Autoren: Deborah Crombie
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gewesen. Jasmine kam mir an der Tür entgegen. Sie war kreidebleich und wie erstarrt vor Angst. Sie sagte, sie hätte den Arzt gerufen, sie glaube, Barry hätte eine Art Anfall. Ich weiß noch, daß ich meine Sachen sehr bedachtsam ablegte, ehe ich zu ihm ging. Er lag steif in seinem Bettchen. Sein Gesicht war verzerrt, und mit den Fäusten beschrieb er kleine Kreise um seinen Kopf.« Sie schwieg, den Blick auf die im Schoß gefalteten Hände gerichtet.
      »Felicity...«
      »Es gab nie einen Beweis. Kleinstadtärzte... niemand konnte mit Gewißheit sagen, was ihm zugestoßen war. Ein Arzt sagte, er habe eine Schädigung dieser Art gesehen, nachdem ein Kind heftig geschüttelt worden war, aber beschwören konnte er es nicht. Aber ich habe Detektiv gespielt.« Sie sah auf und lächelte ihn an. »Sie waren stolz auf mich gewesen. Eine Nachbarin sagte mir, sie habe gesehen, wie Jasmine einen jungen Mann in die Wohnung gelassen hatte und später ein paar Minuten weggegangen sei. Ich habe mich daraufhin bei sämtlichen Geschäften in der Straße erkundigt. Sie hatte in der Apotheke etwas besorgt, um dem Kleinen das Zahnfleisch einzureiben - er zahnte damals gerade und war schrecklich quengelig.
      Ich nahm den Bus und fuhr in Jasmines Dorf. Unter einem Vorwand kam ich mit der Postbotin ins Gespräch. Es wurde gemunkelt, Jasmine sei mit einem Jungen befreundet, der nicht ganz richtig im Kopf war.«
      »Timmy Franklin?«
      Felicity nickte. »Ich habe nie geglaubt, daß Jasmine auch nur daran dachte, er könne Barry etwas antun. Aber sie war verantwortlich für das Wohl meines Sohnes.« Zum erstenmal schien Felicity ihre Sicherheit zu verlieren. »Sie hätte ihn nicht allein lassen dürfen.«
      »Was passierte dann?«
      »Nichts.« Sie hob die Hände wie zum Zeichen der Niederlage. »Eine Zeitlang glaubten wir, Barrys Zustand würde sich vielleicht bessern. Als klar wurde, daß sich nichts ändern würde, entfernte sich mein Mann noch weiter von mir - er hatte von Anfang an kein Kind gewollt und wußte überhaupt nicht, wie er mit der Sache umgehen sollte. Er blieb gerade solange, bis ich meine Schwesternausbildung abgeschlossen hatte. Zuerst konnte ich Barry zu Hause betreuen lassen, aber das wurde mit der Zeit immer schwieriger, und als wir nach London zogen, mußte ich ihn in ein Pflegeheim geben.«
      »Und Jasmine?« fragte Kincaid. »Was wurde aus Jasmine?«
      »Sie verschwand. Nicht einmal zur Beerdigung ihrer Tante kam sie zurück. Ich dachte, ich würde sie niemals Wiedersehen.«
      »Sie haben sie nicht gesucht?«
      Felicity schüttelte den Kopf. »Ich glaubte, ich hätte im Lauf der Jahre aufgehört, sie zu hassen. Ich dachte nicht einmal mehr oft an sie. Ich traute meinen Augen nicht, als ich ihren Namen in Marthas Patientenunterlagen sah. Und sie hatte Krebs - wie angemessen. Ich mußte sie sehen. Es ließ mir keine Ruhe.«
      »Nach einer Weile muß ihr doch klar geworden sein, wer Sie waren.«
      »Aber ich habe nicht darüber gesprochen, und sie auch nicht. Ich dachte, es würde sie quälen, sie an ihrem Verstand zweifeln lassen.« Felicity fröstelte und rieb sich mit beiden Händen die Oberarme. »Das Absurde war, daß sie mir zu vertrauen schien. Sie hat sich ganz auf mich verlassen. Meine Aufgabe ist es, den Sterbenden Sicherheit und Trost zu spenden, aber ich habe ihr erzählt, wie furchtbar sie leiden, wie erbärmlich ihr Dasein werden würde. Und sie hat es akzeptiert.
      Als ich die Literatur über Selbstmord sah, habe ich nicht versucht, ihr ihr Vorhaben auszureden. Ich fand es ganz angemessen für sie, sich selbst das Leben zu nehmen.«
      »Aber das hat sie nicht getan, nicht wahr? Was geschah an dem Tag, an dem Jasmine starb?«
      Sie schloß die Augen und sprach sehr langsam, so als durchlebte sie die Ereignisse im Geist noch einmal. »Sie war seit einigen Tagen sehr still gewesen. Ich nahm an, sie versuchte die innere Kraft zum Selbstmord zu sammeln. Aber als ich am Donnerstag morgen ankam, war sie verändert. Sie war ruhig und hatte etwas Leuchtendes an sich. Manchmal gewinnen die Sterbenden eine gewisse Würde und Anmut. Man kann es nicht vorhersehen, und es ist nicht immer so. Aber bei Jasmine war es so. Sie sagte mir, sie könnte jetzt allem ins Auge sehen.« Felicity sah Kincaid an. Ihr Blick war flehend. »Ich konnte das nicht ertragen. Verstehen Sie? Ich konnte es nicht ertragen.«
      »Und was haben Sie getan?« fragte Kincaid
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