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01 Arthur und die vergessenen Buecher

01 Arthur und die vergessenen Buecher

Titel: 01 Arthur und die vergessenen Buecher
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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Hauswand, um wieder zu Kräften zu kommen. Die Macht des Buches über mich wurde von Sekunde zu Sekunde stärker. Als ich die Straße überqueren wollte, brach mir am ganzen Körper der Schweiß aus und das Stimmengewirr in meinem Kopf steigerte sich nochmals zu einem nahezu unerträglichen Brüllen. Meine Hände, die das Buch umklammert hielten, bebten, und meine Beine gehorchten mir nicht mehr. Stechende Schmerzen durchfuhren meinen ganzen Körper. Ich konnte es unmöglich bis zum Strand schaffen. Ich musste umkehren.
    In dem Moment ergriff jemand meinen Arm. Ich fuhr herum. Im Schein der trüben Straßenlaterne sah ich eine Gruppe von Männern, die mich umringt hatten. Sie trugen einfache, grobe Kleidung und ich wusste sofort, wer sie waren: Einwohner des Dorfes, aus dessen Kapelle wir das Buch der Dunkelheit gestohlen hatten.
    Der, der mich am Arm gefasst hatte, schien der Anführer zu sein. Er war ein gedrungener Mann mit dunklem Teint und großen schwarzen Augenbrauen, die über seiner Nasenwurzel zusammenwuchsen. Er ließ mich los, trat einen Schritt zurück und streckte wortlos die Hand aus. Seine Begleiter bildeten einen undurchdringlichen Kreis um mich.
    Ich begriff sofort, dass diese Männer meine letzte Hoffnung waren, mich aus dem Bann des Buches zu befreien. Aber das Buch spürte die Bedrohung auch. Mit letzter Kraft streckte ich die Hand, die es hielt, aus. Der Schmerz in meinem Arm war kaum zu ertragen. Es war, als würde mir das Fleisch in Stücken herausgerissen.
    Dann nahm mein Gegenüber das Buch, und sofort waren sämtliche Schmerzen sowie das Getöse in meinem Kopf verschwunden. Ohne ein weiteres Wort drehten die Männer sich um und verschwanden mit dem Buch in der Dunkelheit. Auf sie schien es keinerlei Wirkung zu haben.
    Erschöpft glitt ich an der Hauswand zu Boden. Fast hätte mich das Buch der Dunkelheit vernichtet.«
    Er hielt inne. Wir alle hatten seinen Worten gebannt gelauscht. Larissa wollte etwas sagen, aber der Bücherwurm bedeutete ihr mit einer Handbewegung, dass er noch nicht fertig war mit seiner Erzählung.
    »Und wisst ihr, was das Schlimmste war? Ich war nicht dankbar über meine Rettung, sondern hatte das Gefühl, mir sei etwas Unersetzliches gestohlen worden. Noch tagelang plagte mich eine unerklärliche Sehnsucht, und ich musste mich zwingen, nicht wieder zurück in jenes Pyrenäendorf zu fahren.«
    Der Alte lehnte sich zurück. Seine Schultern richteten sich auf, als sei durch die Erzählung eine furchtbare Last von ihm abgefallen. Zum ersten Mal seit dem Besuch von Pluribus in seinem Laden kam er mir wieder wie der Mensch vor, den ich kannte.
    »Hast du noch einen Tee für mich, Jan?«, fragte er. Der Angesprochene beeilte sich, eine neue Kanne aufzugießen, während wir anderen über belanglose Kleinigkeiten plauderten, so als sei nichts geschehen. Keiner von uns wollte in diesem Moment über das sprechen, was der Bücherwurm berichtet hatte.
    Als Jan uns allen noch einmal frischen Tee nachgeschenkt hatte, musste ich allerdings noch die letzte Frage loswerden, die mir auf der Seele brannte. »Bei unserem ersten Telefongespräch nach unserer Ankunft in Amsterdam haben Sie mich gefragt, ob es Larissa war, die herausgefunden hat, dass wir das Buch der Antworten suchen sollen. Und als Sie vorletzte Nacht mit Madame Slivitsky telefoniert haben, da hat sie von deiner kleinen Bewahrerin gesprochen. Können Sie mir das erklären?«
    Larissa lehnte sich auf dem Tisch vor, als sie ihren Namen hörte. Sie sah mich vorwurfsvoll an, so als wolle sie sagen: Warum hast du das nicht vorher mit mir besprochen?
    Der Bücherwurm räusperte sich. »Nun ja, das ist ein wenig heikel. Vor allem, weil ich mir selbst nicht ganz sicher bin.«
    Er nahm einen Schluck aus der Tasse, die vor ihm stand. Dann hatte er wohl den richtigen Anfang gefunden.
    »Dein Vater, Larissa, also mein Schwiegersohn, stammt aus einer alten Familie, deren Geschichte sich bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Meiner Information nach ist dies ein Geschlecht der Bewahrer. Er und ich haben oft darüber gesprochen. Auch wenn er selbst kein Bewahrer war, so war er doch stets bestrebt, die Vergessenen Bücher, von denen er natürlich wusste, zu schützen. Als deshalb jetzt die Hinweise auf das Buch der Antworten auftauchten, habe ich dich mit Arthur losgeschickt, weil ich der Überzeugung war, du trägst Bewahrerblut in dir und wirst deshalb Dinge herausfinden, die anderen verschlossen bleiben. Wie sich
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