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0086 - Das Floß der Verdammten

0086 - Das Floß der Verdammten

Titel: 0086 - Das Floß der Verdammten
Autoren: Dieter Saupe
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Henk Barber im Befehlston.
    Sie beugten sich seinem Befehl. Vom ersten Augenblick an. Er allein kannte sich so gut aus, dass er ihre Position bestimmen konnte. Die anderen würden tun, was er sagte.
    Sie banden die Hemden zu einer Art Segel. Sie setzten eine Bootsstange als Mast.
    So trieben sie dahin.
    Henk Barber und die anderen.
    ***
    Henk Barber, Nordamerikaner, siebenunddreißig Jahre alt.
    Er und die anderen.
    Der jüngste unter ihnen war ein Mulatte aus Puerto Rico. Neunzehn Jahre alt. Ein Schiffsjunge mit den üblichen hundert kleinen Aufgaben. Er hieß Moreno Garcera.
    Da war Papas Magaya aus Trinidad.
    Vierunddreißig Jahre alt und spanischer Abstammung. Auf dem Frachter war er der Koch gewesen.
    Da war Ben Benson, ein gebürtiger Engländer von den Bahamas. 39 Jahre alt. Seit sechs Jahren Navigationsoffizier. Der schweigsamste unter den Männern des Frachters, auf dem er angeheuert hatte, als er sich mit seinem ersten Kapitän überworfen hatte. Benson war ein Mann, der viel sagte, wenn er am Tag mehr als zehn Worte sprach. Notfalls redete er mit den Fäusten, und seine Schlagkraft war gefürchtet.
    Stärker als er war nur der Neger aus Jamaica, Simba Simba mit Namen. Wie er zu diesem Namen gekommen war, sollte der wissbegierige Moreno Garcera bald erfahren. An einem Tage während der Treibfahrt auf dem Ozean, als ihnen Sonne und Durst fast das Blut ausgesogen und den Verstand genommen hatten.
    Und dieser Jean Delay, ein junger Mechaniker von neunundzwanzig Jahren. Er stammte von der Insel Martinique. Keiner kannte die verschrobenen Sagen und Gräuelmärchen der gefährlichen Karibischen See so gut wie er.
    Aber auch Jean Delay konnte nicht wissen, wer jenes Ungeheuer war, das unter ihnen dahinschwamm.
    Es war der Inhalt von Henk Barbers Seesack, den das Ungeheuer begehrte.
    Noch tauchte es in großem Abstand und ließ sich nicht blicken. Noch hatte keiner der Männer eine Ahnung von seinem Aussehen.
    Der Mann, der es bald auf Tod und Leben jagen sollte, wusste es ebenfalls noch nicht.
    Denn Professor Zamorra, der Dämonenjäger, saß zur Zeit in einem Lehnstuhl des First-Class-Hotels ›Lindomar‹. Neben dem Swimmingpool. Und neben seiner reizenden, attraktiven Sekretärin Nicole Duval. Auf Gran Bahama.
    Dreimal hatten sie angesetzt, sich nach ihren erregenden Abenteuern im Urlaub zurückzuziehen. Dreimal hatten ihnen die Dämonen dieser Welt einen Strich durch die Rechnung gemacht.
    Zamorra und Nicole rechneten in dieser Stunde nicht damit, dass sie schon bald wieder gebraucht würden.
    ***
    Gegen Mittag legte sich der Wind vollkommen. Das kleine Floß kam nicht mehr voran. Auch das notdürftig zusammengesetzte Segel nützte den Männern nichts mehr.
    »Flaute«, sagte Henk Barber verbittert. »Die Sonne wird uns braten, bis wir gar sind. Die Haie werden ein paar knusprige Bissen bekommen, wenn sie uns kriegen.«
    »Quatsch!«, brüllte der Hüne Simba Simba und ließ seine mächtigen Armmuskeln spielen. »Haie greifen nicht an, wenn sie nicht gefährdet sind. Das haben uns nur die Großmütter erzählt, dass Haie so gefährlich sind.«
    »Er hat recht«, ließ sich Jean Delay vernehmen. Ihm fiel es immer schwer, englisch zu sprechen. Auch sein Stolz hinderte ihn daran. Wie jedermann auf der Insel Martinique war das Französische seine Muttersprache. Englisch oder Spanisch, wie es auf den Frachtern in der Karibik und bei den Antillen üblich war, kam ihm nur schwer über die Lippen. Er tat sich schwer damit.
    Moreno Garcera, der Junge aus Puerto Rico, machte sich einen Spaß daraus, Jean Delay nachzuäffen.
    »Warum hat er recht?«, fragte er und imitierte dabei den Tonfall Delays.
    »Man weiß heute, dass Haie nicht die Menschenräuber sind, als die man sie immer hingestellt hat«, sagte der Mann aus Martinique. »Die Haie haben wir nicht zu befurchten.«
    »Und wen sonst?«, wollte Garcera wissen.
    »Warte ab«, brummte der Neger aus Jamaica. »Warte ab, und stelle keine blöden Fragen.«
    »Simba hat recht«, mischte sich Henk Barber ein. »Wir wollen kein dummes Zeug quatschen. Außerdem wollen wir den Mund halten, wenn wir nicht unbedingt sprechen müssen. Die Sonne kocht über uns. Sie kann uns austrocknen, in wenigen Tagen. Schonen wir unsere Lippen, dann sparen wir Spucke. Gesprochen wird nur noch, was unsere Rettung angeht. Unser Überleben. Ist das klar?«
    »Klar!«, rief der Koch aus, und die anderen nickten zustimmend.
    »Wir hoffen, dass wir durchkommen«, meinte Barber abschließend.
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