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0078 - Die Straße zum Schafott

0078 - Die Straße zum Schafott

Titel: 0078 - Die Straße zum Schafott
Autoren: Die Straße zum Schafott
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heiraten möchten, glaubte ich. Wissen Sie, er war in der gleichen Fabrik wie mein Mann. Er gab sich sehr viel Mühe, und mein Mann hat wohl auch ein gutes Wort für ihn eingelegt. Jedenfalls wurde Joe vor ein paar Monaten von der Betriebsleitung gefragt, ob er Lust hätte, einen Betriebskurs für angehende Werkmeister mitzumachen. Joe sagte mit Freuden zu. Schließlich hätte er sich als Werkmeister viel besser gestanden, und wenn man heiraten will, kann man ein paar Dollar mehr gut gebrauchen, nicht wahr? Man sagte uns ja, dass Joes Bruder einer von diesen Verbrechern sei, die nur von Ungesetzlichkeiten leben, aber ich kann mir das nicht denken! Joes Bruder ein Verbrecher - nein! Das will und kann ich nicht glauben…«
    Die biedere Frau machte eine kleine Pause, dann fügte sie leise hinzu: »Und selbst wenn es wahr wäre - Joe kann man doch dafür keine Vorwürfe machen, nicht wahr? Es war immer sehr anständig und fleißig. Seit er Bell kannte, habe ich nie etwas Schlechtes von ihm gehört. Er half mir, wo er nur konnte. Oh ja, er war ein richtiger Kavalier, unser Joe…«
    Sie brach plötzlich ab und versteckte ihr Gesicht hinter den verarbeiteten Händen, während ein unhörbares Schluchzen und Beben durch ihren Körper lief. Wahrscheinlich schämte sie sich der Tränen, die ihr über die Wangen rannen.
    Phil sah mich an. Seine Lippen lagen hart aufeinander. In mir schmerzte etwas. Hundertmal schon habe ich diese Szene erlebt: wie die Opfer von brutalen Bestien aussehen, wie die Angehörigen in fassungslosem Schmerz weinen, weil man ihnen einen Menschen raubte, den die geliebt haben, wie man eben nur seine Kinder lieben kann. Und Hundert und Aberhundert mal habe ich mich gefragt, wie es möglich sein kann, dass Menschen bereit sind, um irgendeines idiotischen Vorteils willen andere Menschen umzubringen.
    ***
    »Vielen Dank, Ma’am«, sagte ich. Es hatte keinen Sinn, jetzt noch weitere Frage zu stellen. Die Frau war nicht mehr in der Verfassung, uns sachliche Antworten geben zu können. »Wir werden von uns hören lassen.«
    Wir standen auf und wollten gehen. In diesem Augenblick läutete das Telefon. Es war blödsinnig, denn jedes Telefon läutete auf eine völlig unpersönliche Art, aber das schrille Klingeln in der tiefen Stille, die in dieser Wohnung herrschte, kam mir sofort feindlich vor.
    Mrs. Condridge hob den Hörer ab und meldete sich. Sie lauschte schweigend. Wir blieben auf der Schwelle stehen, weil wir uns ja jetzt nicht von ihr verabschieden konnten.
    »Bitte?«, schrie Mrs. Condridge auf einmal. »Was sagen - nein! Lieber Gott, das ist doch…«
    Sie brach ab und starrte entsetzt den Hörer an, als vermochte sie nicht zu glauben, was sie gerade gehört hatte. Ich ahnte etwas und sprang zu ihr. Ich nahm ihr den Hörer aus der Hand und brummte: »Condridge. Hallo, was ist los?«
    Sinnlos. Der Gesprächspartner hatte bereits eingehängt. Ich legte den Hörer auf und wandte mich der Frau zu. Sie starrte mich aus entsetzten, weit geöffneten Augen an.
    »Das - das ist doch nicht möglich«, murmelte sie. »Das kann doch nicht sein. Nein, das ist völlig ausgeschlossen. Das ist ganz und gar unmöglich.«
    »Mrs. Condridge«, sagte ich eindringlich, »was hat man Ihnen gesagt?«
    Sie schien mich gar nicht zu hören.
    »Ich muss sofort hin« murmelte sie in der gleichen tonlosen Weise wie eben. »Ich muss sofort hin. Der Schuppen im Hof von Correns Garage an der Ecke der Third Avenue Bridge«, murmelte sie in monotoner-Weise vor sich hin. Als wären wir überhaupt nicht vorhanden. »Der Schuppen von Correns Garage, ja, das sagte er. Ich muss sofort hin…«
    Ich schluckte. Meine Kehle war auf einmal wie ausgedörrt.
    »Kommen Sie, Mrs. Condridge«, sagte ich ziemlich laut, damit meine Stimme bis in ihr Bewusstsein dringen sollte. »Wir bringen Sie hin! Kommen Sie!«
    Sie sah uns an, als sähe sie uns zum ersten Mal.
    »Sie wollen mich hinbringen«, nickte sie. »Ah ja, das ist gut. Das ist gut. Ich muss sofort hin…«
    Sie verfiel in ein dumpf brütendes Schweigen. Wir brachten sie die Treppen hinab und setzten sie in meinen Jaguar. Ich schaltete die Polizeisirene ein und jagte los.
    Und ununterbrochen sagte eine Stimme in meinem Gehirn: Lieber Gott, lass es nicht wahr sein. Nimm doch dieser alten, guten Frau nicht das Letzte, woran sich ihr Herz klammert. Lieber Gott, lass das nicht zu…
    Die Straße lag wie eine lange, schnurgerade Rollbahn vor uns. Meine Polizeisirene fegte sie förmlich frei. Cops
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