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0073 - Gegen eine ganze Stadt

0073 - Gegen eine ganze Stadt

Titel: 0073 - Gegen eine ganze Stadt
Autoren: Gegen eine ganze Stadt
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bestimmt.«
    »Dann geben Sie mir gleich zwei Becher«, gähnte Phil. »Ich falle um vor Müdigkeit und vor Durst. Übrigens, versteht Ihre Frau denn etwas von Kaffee?«
    »Frau! Ich habe keine Frau!«
    »Oh, Entschuldigung«, bat der immer feinfühlige Phil. »Aber wer ist denn Amanda, mein lieber Sheriff?«
    Der Grauhaarige zuckte die Achseln.
    »Amanda ist meine Katze. Sie versteht von Kaffee und Tee mehr als die meisten Menschen.«
    Er sagte es ganz trocken, während er sich bückte und eine Schale bis an den Rand mit schwarzem Kaffee füllte. Ich musterte grinsend dieses seltsame Exemplar von Sheriff.
    Phil hielt mir Zigaretten hin. Ich bediente mich und gab ihm Feuer. Als die Zigaretten brannten, fragte ich: »Ich hoffe, Sheriff, Ihre Andeutung von der kochenden Volksseele war nicht der einzige Grund, weswegen Sie uns von New York bis hierher kommen ließen?«
    Der Sheriff richtete sich auf und ließ sich wieder in den Stuhl hinter seinem Schreibtisch fallen.
    »Doch«, sagte er. »Es war der einzige Grund. Bisher ist noch nichts Greifbare vorgefallen.«
    Wir trauten unseren Augen nicht, und noch weniger unseren Ohren. War der gute Mann von Gott und allen guten Geistern verlassen?
    Noch nichts Greifbares vorgefallen!
    Wegen etwas, was er »eine kochende Stimmung hier« nannte, ließ er zwei Beamte der Bundespolizei von New York per Auto bis Little Hill kommen, um ihnen dann gelassen zu eröffnen, dass noch nichts Greifbares vorgefallen sei!
    Ich drückte meine Zigarette aus.
    »Sheriff«, sagte ich betont ruhig. »Ich hoffe, Sie sind sich darüber im Klaren, dass wir über zweitausend Meilen mit einer einzigen richtigen Pause durchgefahren sind?«
    Er hakte die Daumen hinter seinen breiten Gürtel und polterte plötzlich los: »Nun haltet mal die Luft an, ihr beleidigten Grünschnäbel! Ich bin hier der Sheriff! Und wenn ich die Bundespolizei mobil mache, dann weiß ich schon warum! Als das letzte Mal, es war vor sieben Jahren, die Stimmung hier kochte, hat dieses Narrenvolk zwei Männer gelyncht, drei Frauen in den Fluss geschmissen und hätte wahrscheinlich noch viel mehr Unheil angerichtet, wenn ich nicht neun Wochen lang ein ganzes Bataillon Infanterie hier gehabt hätte. Glaubt ihr, dass ich ein zweites Mal Lust habe, mich statt mit diesem Narrenvolk mit jungen Soldaten herumzuärgern? Ihr seid G-men, und was hier losgehen wird, das ist Bundessache, so wahr ich Sheriff Holder bin!«
    ***
    Er hatte kaum ausgesprochen, da wurde die Tür aufgerissen und ein alter Mann kam hereingestürzt, dessen Gesicht vor Furcht und Schrecken grau war. Sein zahnloser Mund war in brabbelnder Bewegung, aber kein einziges Wort war zu verstehen.
    Holder kannte den Alten anscheinend. Er griff in die linke Schreibtischschublade, brachte eine Whiskyflasche und ein Wasserglas zum Vorschein, kippte es randvoll und schob es dem Alten hin.
    Der griff gierig danach, setzte es an und ließ den Inhalt in sich hineingluckern, ohne das Glas ein einziges Mal abzusetzen.
    Dann wischte er sich über den Mund und stellte das Glas mit einem harten Auf setzen zurück auf den Schreibtisch.
    Seine Stimme klang rau, als er hervorstieß: »Wanda ist tot, Sherriff. Sie haben sie umgelegt. Draußen vor der Stadt, dicht im Fluss. Bei den sechs Eichen…«
    Holder schwieg. Er sah den Alten an. Dann wanderte sein Blick langsam zu uns.
    »Seid ihr jetzt zufrieden, dass ihr endlich etwas Greifbares habt, ihr verdammten Grünschnäbel?«, sagte er müde.
    Wir sagten nichts. Und uns war auf einmal auch nicht sehr wohl in unserer Haut.
    »Wollen Sie mit in meinem Jaguar fahren?«, bot ich dem Sheriff an.
    »Okay«, knurrte er und stieg ein.
    Ich setzte mich ans Steuer. Der Sheriff gab die Richtung an.
    Unterwegs erkundigte sich Phil: »Wer ist diese Wanda?«
    »Eine Negerin. Ungefähr sechzehn Jahre alt. Ich nannte sie immer unsere Schwarze Madonna. Weil sie so verdammt gut mit Kindern umgehen konnte.«
    »Wie heißt sie weiter?«, fragte ich.
    Der Sheriff zuckte die Achseln.
    »Das weiß kein Mensch. Sie weiß es selbst nicht. Sie wusste nur, dass sie Wanda hieß, als sie zu uns in die Stadt am. Sie ist Strandgut. Irgendwo bei irgendwelcher Katastrophe übrig geblieben. Sie kam vor neun Jahren in die Stadt. Als siebenjähriges Mädchen. Vier Wochen lang sprach sie kein Wort. Sie starrte nur vor sich hin, und wenn sie eine offene Flamme sah, wurde sie halb wahnsinnig vor Angst. Wir nehmen an, dass ihre Eltern vielleicht irgendwo im Feuer umgekommen
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