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0041 - Die Treppe ins Nichts

0041 - Die Treppe ins Nichts

Titel: 0041 - Die Treppe ins Nichts
Autoren: Franc Helgath
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ein. Er wusste, was hier vom »Himmel« gefallen war. Es war die Garotte.
    Mitleid lag in Zamorras Blick, als er die Frau so daliegen sah. Behutsam erweckte er sie aus ihrem hypnotischen Schlaf, der das Geheimnis dieser Nacht preisgegeben hatte. Zamorra hatte mit einem Traum dieser Art gerechnet. Es war ein prophetischer Traum gewesen, und er signalisierte dem Fachkundigen, dass der Bäcker Laguère und seine Töchter sich in höchster Gefahr befinden mussten. Mit einigen weiteren geschickten positiven Suggestionen erreichte Zamorra, dass die Frau wieder ruhig wurde und aus ihrer Lethargie erwachte.
    Als sie schließlich die Augen aufschlug, sah sie beinahe glücklich aus. Zamorra hatte ihr auch die Erinnerung an ihren Traum genommen.
    »Sehen Sie«, lächelte er, »es ist schon vorbei. Wie fühlen Sie sich jetzt?«
    Die stämmige, Frau tastete an sich hinab. »Ich glaube gut, ja. Ich fühle mich ganz gut. Als hätte ich fünfzehn Stunden durchgeschlafen.«
    Mit etwas unsicheren Bewegungen setzte sie sich auf. Ihre kurzen Beine reichten nicht ganz bis zum Boden hinunter. Zamorra streckte die Hand aus und half ihr hoch.
    »Beunruhigen Sie sich nicht mehr«, sagte er. »Ich werde mich um das Verschwinden Ihres Mannes kümmern. Haben Sie schon Anzeige erstattet?« Im gleichen Augenblick bereute er seine Worte.
    »Anzeige? Wozu?«
    »Anzeige ist natürlich das falsche Wort, ich meinte eine Vermisstenmeldung.«
    Die Frau schüttelte den Kopf. Zamorra hätte sich die Frage sparen können. Natürlich hatte sie keine Anzeige erstattet. Einfache Menschen ihres Schlages mieden den Umgang mit Behörden. Sie schoben auch notwendige Kontakte vor sich her. Die Behördenwillkür und die Willkür ihrer Feudalherren hatten im Laufe von Jahrhunderten Aversionen und geheime Ängste entstehen lassen, die im Laufe einer einzigen Generation nicht so schnell hinweggefegt werden konnten.
    »Macht nichts«, sagte Zamorra deshalb. »Ich werde mich selbst darum kümmern.« Er unterhielt sich fast noch zwanzig Minuten lang mit der Frau. Dann wusste er, was er wissen musste.
    »Haben sie nochmals vielen Dank, Professor«, sagte Madame Laguère und sah betreten zu Boden. Die Hand, die sie eben noch ausgestreckt hatte, hielt sie jetzt wieder zurück. Sie schien zu überlegen, ob sie Zamorra den Händedruck anbieten konnte. Daher ergriff der Professor sie.
    Sein Lächeln war so einnehmend, dass auch das Gesicht der Frau sich leicht in die Breite verzog. Beinahe sah sie glücklich aus. »Ich danke Ihnen nochmals sehr herzlich«, meinte sie und deutete einen Knicks an.
    Zamorra versagte sich ein amüsiertes Schmunzeln. Die Frau verstand es nicht anders. Doch die stumme Zuneigung und den stillen Respekt, den sie damit bewiesen hatte, waren ehrlich gemeint.
    ***
    Den Rest des Vormittags und auch den Nachmittag verbrachte Professor Zamorra mit fieberhaften Reisevorbereitungen und unzähligen Telefonaten. Dabei machte er sich eifrig Notizen, die er in einem kleinen schwarzen Buch sammelte. So trug er Stein um Stein zusammen, die er zu einem großen Mosaik sammeln wollte.
    Am Ende des Tages war das Bild noch unvollkommen. Die größere Hälfte fehlte noch. Aber so viel war jetzt klar: Es hatte ein schweres Ungewitter über den Pyrenäen getobt, als der Bäcker aus dem Loiretal und seine Töchter verschwanden. Ihren Wagen hatte man tags darauf in einer abgelegenen Schlucht gefunden. Oben war die Straße intakt gewesen und der Unfall gab den bearbeitenden Polizeibeamten ein kaum zu lösendes Rätsel auf. Denn an jener Stelle, an der der Wagen in der Schlucht lag, war oben an der Straße nicht die geringste Spur davon zu entdecken, dass der Wagen von hier aus über den Abgrund gerollt war, obwohl er nur von diesem kleinen Straßenstück aus hinabgerutscht sein konnte. Doch so sah es eher aus, als wäre der Wagen von einer Riesenfaust gepackt in den bodenlosen Abgrund geschleudert worden.
    Doch Riesen mit übermenschlichen Kräften gab es nicht mehr. Sie wurden von den Menschen der Neuzeit ins Reich der Fabel verwiesen.
    Zamorra wusste es besser. Seine Studien und seine intensiven Forschungen hatten ihn gelehrt, dass die Welt der Menschen und die der Dämonen öfter ineinander greifen, als moderne Freidenker häufig gegen ihr besseres Wissen zugestehen wollen.
    Die Welt der Dämonen – sie existierte genauso wie die irdische Welt.
    Professor Zamorra hatte eine Fülle von Beweisen dafür zusammengetragen. Er zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass der
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