Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0025 - Der Satansdiener

0025 - Der Satansdiener

Titel: 0025 - Der Satansdiener
Autoren: Susanne Wiemer
Vom Netzwerk:
meine Feinde, großer Asmodi – Meine Feinde! – Zeige sie mir…«
    Er verstummte.
    Rasch und keuchend ging sein Atem, die Muskeln seines Gesichtes zuckten unter der Anstrengung. All seine dämonische Kraft schien sich in den gelben Augen zu sammeln, schien sich zu bündeln, zu einem einzigen Strahl von Energie, der sich gleich einer Sonde in den gelben, wabernden Rauch bohrte. Bilder entstanden. Schatten zuerst, Umrisse, undeutliche Formen aus Nebelfetzen. Der Magier erstarrte. Tief in ihm begann etwas zu glühen, seine Gestalt veränderte sich und schien zu leuchten. Sein Herzschlag verwandelte sich in flackerndes, pulsierendes Licht. Für eine einzige Minute sammelte sich Geronimo Morgues dämonische Kraft in einer Flamme reinen Höllenfeuers, und vor ihm entstanden die magischen Bilder, die er beschworen hatte.
    Seine Augen sahen.
    Gebäude traten aus dem wabernden Rauch hervor. Straßen und Menschen…
    Gesichter formten sich, schienen ihn über einen Abgrund hinweg anzusehen – und Geronimo Morgue wusste, dass dies die Gesichter derer waren, die er vernichten musste.
    Zwei Männer und eine Frau.
    Der unheimliche Gegner, den er nicht hatte töten können, und alle, die mit ihm waren. Der Magier lächelte verzerrt. Nur für eine winzige Sekunde hatte er direkt in die Augen der Frau gesehen – und diese Sekunde genügte, um in seinem Hirn einen teuflischen Plan Gestalt annehmen zu lassen.
    Die Bilder verblassten. Wie Schemen verschwammen sie, lösten sich auf, verschwanden. Der gelbe, schweflige Rauch wurde dünner.
    Ein paar Herzschläge lang schien er noch wie ein durchsichtiger Schleier in der Luft zu wehen – dann brannten in der Schale nur noch die klaren, blau strahlenden Flammen.
    Geronimo Morgue taumelte.
    Die Beschwörung hatte alle seine Kraft gekostet. Das eigentümliche Leuchten war von seiner Gestalt gewichen, war verblasst wie die höllischen Visionen, und tiefe Erschöpfung kroch wie eine schwarze, steigende Flut in seine Glieder.
    »Orhomre, Asmodi«, murmelte er. »Orhomre Mani…«
    Es war der Dank an den Dämonengott, war eine der uralten magischen Formeln, die er nicht ungestraft vergessen durfte. Geronimo Morgue, der Magier, fiel vor dem Altar nieder, mit ausgebreiteten Armen, und sank von einer Sekunde zur anderen in tiefe, todesähnliche Trance.
    ***
    Zamorra ließ den Wagen am Fuß des Hügels stehen.
    Er war früh losgefahren – unerwartete Zwischenfälle konnte es immer geben, von den Angriffen dämonischer Mächte bis zu einer simplen Reifenpanne, und er hatte den einmaligen, unwiederbringlichen Moment auf keinen Fall verpassen wollen. Jetzt blieb ihm noch fast eine Stunde bis Mitternacht. Aus schmalen Augen spähte er zu der Hügelkuppe hinauf, die der Vollmond mit fahler Helligkeit übergossen hatte, lehnte sich auf dem Fahrersitz zurück und zündete sich zunächst einmal eine Zigarette an.
    Die Spannung in ihm hatte ein Maß erreicht, vor dem schwächere Nerven als die seinen längst kapituliert hätten. In langsamen Zügen sog er an der Zigarette und sah den Rauchringen nach, die vor der Windschutzscheibe zu grotesken Gebilden zerfaserten. Für einen Moment faszinierten ihn diese bläulichen Schlieren plötzlich. Durch alle Jahrhunderte zog sich die Magie des Rauchs, die Magie des Feuers. Und der Rauch einer simplen Zigarette? Der Rauch aus Hunderten von Schornsteinen, der manchmal wie ein drohendes Mahnmal über den großen Städten hing? Konnte man vielleicht auch daraus lesen, wenn man nur die Augen öffnete?
    Zamorra atmete tief durch.
    Er hätte jetzt gern Zeit gehabt. Denn er wusste, dass dies einer der Momente vollkommener Klarheit war, in denen sich Ahnungen formten, plötzliches Wissen um verborgene Zusammenhänge, manchmal sogar einer jener Gedankenströme, die wie Lichtstrahlen in die Schwärze der Zukunft leuchteten. Augenblicke wie dieser hatten ihm schon manchen unerwarteten Fortschritt in seinen Forschungen gebracht. Aber jetzt war keine Gelegenheit zum Grübeln, jetzt durfte er sich nicht ablenken lassen. Zu viel stand auf dem Spiel. Erneut spähte er zu der flachen Hügelkuppe hinauf. Ein Blick zur Uhr zeigte ihm, dass er noch eine halbe Stunde hatte. Mechanisch schnippte er die Zigarettenkippe aus dem Fenster, verließ den Wagen und machte sich ohne Hast an den Aufstieg.
    Der Vollmond tauchte die Ruinen der Adlerburg in ein gespenstisches Licht.
    Buschwerk und wuchernde Unkrautstauden duckten sich wie Gnomen an den Boden. In ungewissem Grau erhoben sich die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher