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0024 - Bestien aus dem Schattenreich

0024 - Bestien aus dem Schattenreich

Titel: 0024 - Bestien aus dem Schattenreich
Autoren: Susanne Wiemer
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gespieltem Ernst.
    Sie krauste die Nase. »Also manchmal bezweifle ich, dass Sie tatsächlich französische Vorfahren hatten, Chef. Sind Sie ganz sicher, dass sich nicht irgendwo ein Eskimo in Ihre Ahnenreihe eingeschlichen hat?«
    »Ziemlich sicher. Wieso? Bin ich so schlimm?«
    »Schlimm?«, echote sie verblüfft.
    Er grinste leicht. »Eskimos haben recht freizügige Gewohnheiten, meine Liebe. Wo sich ihre ursprünglichen Sitten und Gebräuche noch erhalten haben, spielt sich ihr Privatleben im Wesentlichen textilfrei ab. Haben Sie etwa je ähnliche Beobachtungen auf Château Montagne machen können?«
    Diesmal fiel Nicole nicht sofort die passende Entgegnung ein, was eine Seltenheit war. Sie strafte ihren Chef mit einem vernichtenden Blick. Zamorra lächelte, lehnte sich zurück und zündete sich eine Zigarette an. Sein Blick glitt über die weite Rasenfläche, zu dem Spazierweg hin.
    Eine Gruppe Studenten schlenderte vorüber. Zwischen blühenden Forsythien streunte ein struppiger Schäferhund, in der Nähe flog ein Vogel auf und…
    Zamorras Gedanken stockten.
    Tief in ihm schien plötzlich ein unsichtbares Pendel auszuschlagen, ein warnendes Signal laut zu werden. Er wusste nicht einmal sofort, wodurch das bewirkt worden war und was ihn irritierte. Seine Augen wurden schmal, glitten weiter – und kehrten wie von einem Magneten angezogen zu dem Hund zurück.
    Hund? War das wirklich ein Hund?
    Zamorra sah die kräftigen Läufe, die eisenharten Muskeln unter dem struppigen Fell, die gelben Raubtierlichter – und wie mit einem elektrischen Schlag durchzuckte ihn die Erkenntnis, dass er bestimmt kein harmloses Haustier vor sich hatte.
    Das da drüben war ein Wolf.
    Ein echter, riesiger Wolf, der…
    Unsinn, dachte er.
    Ein Wolf in den Tuilerien, mitten in Paris! Das gab es natürlich nicht. Das waren Hirngespinste, das…
    Ein zweites Tier tauchte auf.
    Wie ein Schatten erschien es zwischen den blühenden Büschen – ein grauer, bedrohlicher Schatten auf dem strahlenden Hintergrund des Pariser Frühlingstages. Die Sträucher bewegten sich. Etwas weiter rechts duckte sich ein dritter Schatten zwischen den bunten Tulpen einer Blumenrabatte. Zamorras Blick zuckte umher, glitt über die Forsythienhecke, über die Bäume und Blumen – und seine Kehle wurde trocken, als er auf Anhieb mindestens ein halbes Dutzend von den grauen, zottigen Bestien entdeckte.
    Sie kamen von überall her, schienen aus dem Nichts aufzutauchen.
    Und es waren Wölfe. Ein Rudel Wölfe mitten in Paris. Ausgehungerte Bestien, die…
    Das Rudel formierte sich.
    Zamorra war aufgesprungen, achtete nicht auf Nicoles verständnislosen Blick. Seine Augen hingen an den Tieren, die sich jetzt dicht aneinander drängten und in langen Sätzen über den Rasen kamen.
    Drohendes Fauchen hing in der Luft – und ein paar von den ahnungslosen Spaziergängern drehten die Köpfe.
    Eine Frau schrie.
    Eine zweite Stimme fiel ein, aus der Gruppe der Studenten löste sich ein anscheinend besonders geistesgegenwärtiger junger Mann und wollte wegrennen. Es war der größte Fehler, den er begehen konnte.
    Die Bestien sahen die rennende Gestalt, die Flucht des Jungen stachelte blitzartig den Beutetrieb der Tiere an – und das Rudel vollführte eine jähe Wendung.
    Jetzt hatten die meisten Spaziergänger gemerkt, was da so plötzlich über sie hereingebrochen war.
    Von einer Sekunde zur anderen brach Panik aus. Menschen schrien, rannten nach allen Richtungen davon, suchten Schutz zwischen Büschen und Bäumen. Zamorra spürte, wie sich Nicole erschrocken an seinen Arm klammerte. Er machte sich rasch los, presste die Lippen zusammen und griff nach dem Smith & Wesson 38 Special, den er – seit er einmal daran gewöhnt war – auch bei harmlosen Ausflügen in die Modewelt stets unter der Achsel trug.
    »Bleiben Sie hier!«, flüsterte er Nicole zu, wandte sich rasch um und begann, geduckt über die weite Rasenfläche zu laufen.
    Der Student hatte jetzt gemerkt, dass die Bestien hinter ihm her waren.
    Ein Blick über die Schulter konfrontierte ihn mit der tödlichen Gefahr. Sein Gesicht verzerrte sich, er schrie auf vor Schrecken. Noch hatte er einen Vorsprung – aber als er weiterjagte, ließ lähmendes Entsetzen seine Schritte stolpern und unsicher werden.
    Die Bestien fauchten, ihr heiseres Bellen dröhnte unheimlich durch die Luft. Wie eine graue Woge jagten sie dahin, ein Pulk vorwärts schießender zottiger Leiber. Zamorra rannte weiter, bis er auf zehn, fünfzehn
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