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001 - Vampire unter uns

001 - Vampire unter uns

Titel: 001 - Vampire unter uns
Autoren: Hugh Walker
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blüht.
    Es ist pures Verlangen, purer Selbsterhaltungstrieb. Ich werde verlöschen, wenn es nicht geschieht.
     

     

Ich höre eine Schaufel in die Erde stechen.
    Ich lausche.
    Mit gleichmäßigen Stichen dringt sie tiefer – langsam, oh, so langsam …
    Endlich stößt sie mit einem dumpfen Ton auf das Holz, und der Sarg erbebt. Sie scharrt darüber, wieder und wieder.
    Ich stoße den Deckel auf und schwinge mich aus dem Grab.
    Da ist der Mond. Welch ein Licht! Die Grabsteine schimmern wie geschliffenes Glas.
    Ein alter Mann steht vor mir, die Schaufel in der Hand. Ein Lebender. Sein Anblick weckt meinen Hunger.
    Neben ihm steht Willie Martin. Mit einem Wutschrei fahre ich ihm an die Kehle.
    »Haltet ihn!« ruft er.
    Arme schlingen sich um mich – kalte, wie meine – und halten mich fest. Der Hass verleiht mir ungeheure Kräfte. Aber zu viele Arme umklammern mich. Sie reißen mich weg von Martin. Zwei Dutzend meiner Art stehen um mich herum. Ich weiß es, denn der Mond ist in ihren Augen.
    »Danke, Franz«, sagt Willie Martin zu dem alten Mann. »Wir lassen das Grab offen, bis er zurück ist.«
    Der Alte nickt und geht.
    »Du wolltest unseren ersten Griff nach dem Leben zerstören«, sagt Willie Martin zu mir. »Dafür solltest du leiden. Jetzt kannst du beweisen, dass du einer von uns bist. Wenn nicht, wirst du wieder in diesem Sarg verschwinden und verwesen.«
    »Was wollt ihr?« frage ich.
    »Mein Sohn Willie, den du töten wolltest, ist hier in Eibenburg im Blutlabor. Wenn er nicht befreit wird, werden die Lebenden viel herausfinden. Zuviel. Sie könnten von unserer Existenz erfahren. Das wäre unser Ende. Wir sind nur Ungeheuer für sie.«
    »Ich soll ihn befreien? Wann?«
    »Heute Nacht.«
    »Und was mit ihm tun?«
    »Bevor die Sonne aufgeht, bringst du ihn hierher. Du weißt, was mit dir geschieht, wenn die Sonne dich überrascht?«
    Ich schüttle den Kopf.
    »Du wirst alle Kraft verlieren und hilflos daliegen, während ihre Strahlen die Fäulnis über deinen Körper bringen. Vergiss nicht, wir sind Geschöpfe der Nacht, nur die Nacht gibt uns Schutz.«
    »Warum?«
    Sie antworten nicht. Sie wissen es nicht.
    Erst nach langer Zeit sagt einer: »Warum leben die Fische nicht auf dem Land? Warum ersticken die Menschen im Wasser?«
    »Vielleicht gelingt es uns eines Tages lebendes Fleisch zu werden. Willie ist ein erster Versuch«, erklärt Martin.
    »Wollen wir denn lebendes Fleisch werden?« wage ich zu fragen. »Muss es nicht Schmerz ertragen und Leid?«
    »Ihm gehört der Tag«, sagt Willie Martin. »Es scheint der einzige Weg zu sein, auch den Tag für uns zu erobern – wahrhaftig zu leben …«
    »Wieder zu leben«, unterbreche ich ihn.
    »Habt ihr schon vergessen, dass ihr bereits gelebt habt, dass eure Körper einst aus lebendem Fleisch waren?«
    Sie schweigen einen Augenblick, dann sagt einer: »Genügt ein kurzes Leben?«
    Ja, denke ich, das ist eine gute Frage. Mein Hass auf Willie Martin schwindet.
    »Warum muss ich es tun, warum nicht ein anderer?«
    »Weil du bereits im Labor warst.«
    »Du auch. Willie Martin.«
    »Das ist lange her. Aber du erinnerst dich noch. Du wirst ihn finden und befreien. Vergiss nicht, du hast etwas gutzumachen.«
    »Was wollt ihr mit ihm?«
    »Er gehört beiden Welten an, den Lebenden und den Toten, der Wissenschaft und der Magie. Wenn die Lebenden ihn nicht mit Liebe aufziehen wollen, werden wir es tun. Aber er soll nicht seziert und mit Zweifeln erfüllt werden. Er soll die Gesetze beider Welten lernen. Früher schlich unsresgleichen bei Morgengrauen in die Särge zurück und in die Grüften.
    Auch wir haben es nicht viel besser. Auch wir verkriechen uns vor der Sonne und vor den Menschen. Aber Willie braucht sich eines Tages nicht mehr zu verstecken. Ihm gehört der Tag genauso wie die Nacht.«
    »Er meidet die Sonne«, sage ich.
    »Vererbte Instinkte«, sagt Martin wegwerfend. »Er wird sich daran gewöhnen. Sie kann ihm nichts anhaben, wenn er auf seinen Körper Acht gibt. Wenn er ihn am Leben erhält.«
    »Also gut«, erwidere ich. »Ich werde gehen.«
    »Noch eines, Bruder, bevor du gehst«, sagt Martin und nimmt mich am Arm. »Wenn du Hunger verspürst, dann wähle gut unter den Lebenden. Nimm nicht einen alten Mann oder einen Kranken. Nimm einen jungen, kräftigen Menschen, dessen Blut und Körper gesund sind. Und verletze ihn nicht. Nur solche brauchen wir in unseren Reihen. Du kannst sie mit deinen Gedanken lähmen, und sie werden dir willige Opfer
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