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001 - Vampire unter uns

001 - Vampire unter uns

Titel: 001 - Vampire unter uns
Autoren: Hugh Walker
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hatte zu atmen, vor gebrochenen Augen, vor der Starre, die sich über den verlassenen Körper hermachte, damit nichts wieder diese Glieder bewegte.
    Was war es nun, das mich so mit Grauen erfüllte? Dieselbe Kleinkinderfurcht? Oder glaubte ich im tiefsten Inneren tatsächlich, Willie Martin könnte sein Grab in Eibenburg verlassen? Welch absurder Gedanken ist doch der menschliche Geist fähig, und wie klein ist der Schritt in den Wahn!
    Diese Überlegungen ernüchterten mich, aber sie brachten den Schlaf nicht wieder. Mehrmals versuchte ich, mir das Traumbild zurückzurufen und das Gesicht zu erkennen, aber je stärker ich mich konzentrierte, desto mehr entschwand es aus meiner Erinnerung.
    Nichts geschah während des folgenden Tages, und Martha und ich begannen aufzuatmen.
    Wir verbrachten den größten Teil des Tages und des Abends in der Stadt und fanden, dass auch ein Urlaub in der eigenen Stadt seine Reize besaß. Bevor wir die Wohnung verließen, rief ich Witters an und erfuhr, dass Hammerstock noch immer nicht aufgetaucht war. Witters’ Stimme klang resigniert. Er schien ziemlich sicher zu sein, dass ein Unglück geschehen war.
    Ich informierte ihn von unserem Ausflug und versprach, ihn am Abend anzurufen.
    Wir bekamen Karten für ein Nachtkabarett, und es wurde sehr spät, bis wir nach Hause kamen. Daher verschob ich den Anruf bei Witters auf den Morgen.
    Wir waren beide leicht angeheitert und unglaublich guter Dinge. Das Risiko, dass Witters uns mit schlechten Nachrichten aus unserer rosigen Stimmung herausriss und für den Rest der Nacht Alpträume verursachte, war mir zu groß. So stiegen wir, höchst belustigt darüber, dass wir unseren abendlichen Besucher diesmal versetzt hatten, ins Bett und schliefen den Schlaf der Rechtschaffenen, bis kurz vor neun das Telefon klingelte.
    Es war Witters.
    »Mann, Mertens, wo waren Sie die ganze Zeit? Warum haben Sie nicht angerufen?«
    Seine Kinderstimme überschlug sich fast.
    »Beruhigen Sie sich, ich bin ja hier«, sagte ich begütigend.
    »Reden Sie nicht mit mir wie ein Onkel mit seinem geistig zurückgebliebenen Neffen!« kreischte er.
    »Erst rückte mir die Polizei auf den Hals, die Ihnen noch einige Fragen stellen wollte …«
    »Wüsste nicht, was ich denen noch hätte sagen können«, meinte ich.
    »Dann kam der Boss …«
    »Hammerstock?« entfuhr es mir.
    »Ja, er kam gegen zehn und erklärte mir, dass er einen wichtigen Auftrag in Eibenburg habe, dem er noch einige Zeit nachgehen müsse. Er wolle mit Ihnen sprechen. Er wartete bis gegen eins, dann musste er wieder fort.«
    »Verdammt«, stieß ich hervor.
    »Sagte ich auch gestern abend laufend«, erwiderte er. »Half aber nichts. Halten Sie sich heute abend bereit. Er kommt nach Sonnenuntergang zu Ihnen.«
    »Also gut. Haben Sie die Polizei schon verständigt?«
    »Aber ja, Herr Mertens.«
    Ich wollte schon auflegen, da fiel mir noch etwas ein.
    »Witters?«
    »Ja, Herr Mertens?«
    »Sagten Sie Sonnenuntergang?«
    »Klingt seltsam, nicht wahr? Aber genau so sagte er. Nach Sonnenuntergang.«
    »Wissen Sie, wann das ist?«
    »Kurz vor acht.«
    »Sie verwenden also noch Uhren in Ihrem Büro?«
    »Werden Sie nicht sarkastisch, Herr Mertens. Guten Tag.«
    An meiner guten Laune vom Vortag hatte sich noch immer nichts geändert.
    Auch Martha wirkte heiter. Unserem Urlaub schien nun nichts mehr im Wege zu stehen. Wenn Hammerstock heute halbwegs pünktlich war und uns nicht allzu lange aufhielt, konnten wir noch den Nachtzug nehmen und unserem beklemmenden Besucher endgültig ein Schnippchen schlagen.
    Nach Sonnenuntergang!
    Das ging mir eine Weile nicht aus dem Kopf. Das war auch der ungefähre Zeitpunkt für die Besuche unseres Willie gewesen. Unser Willie – wie wir ihn gestern im Laufe unseres Abendbummels scherzhaft getauft hatten. Es klang alles viel weniger beängstigend, wenn man erst einmal darüber lachen konnte.
    Natürlich blieb eine Spur von Unsicherheit zurück, ein Funke, der jederzeit auflodern konnte. Man kann Ungewissheit und Furcht nicht einfach hinauslachen aus der Seele, besonders nicht, wenn sie aus der Tiefsee des Unterbewussten empor getaucht sind.
     

     
    Hammerstock kam kurz vor neun, als wir schon unruhig wurden. Unser Zug ging um zehn.
    Er trat ein wenig steif ein und nickte nur zum Gruß. Er legte nicht ab und er setzte sich nicht. Es war äußerst ungemütlich, aber es deutete darauf hin, dass er nicht lange bleiben würde, und das war mir recht. Er wollte auch nichts trinken.
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