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Zwischen Wind und Wetter

Zwischen Wind und Wetter

Titel: Zwischen Wind und Wetter
Autoren: Ulrich Straeter
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der Bahnhof
liegt unter uns. Gelbe Rottenfahrzeuge sind abgestellt, sonst ist kein Zug zu
sehen. Hier treffen sich die Linien nach Limerick und Dublin. Der Blick geht
hinunter wie auf eine Modelleisenbahn, wir freuen uns, nicht Bahnfahren zu
müssen, denn lieber — auch bei Regen — sitzen wir auf unseren Rädern, die kein
Markenname ziert, sie stammen von der Bremer Fahrradmanufaktur.
    Limerick
Junction, so heißt auch eine Irish Folk-Gruppe aus Essen; die einzige deutsche
Formation, die bisher bei einem Folkfestival in Irland den ersten Preis
gewonnen hat.
    Los, weiter!
    Wir kommen
nach Tipperary, Grafschaft und Stadt heißen so. Die Stadt begrüßt uns am
Ortsschild mit: ‘Welcome in Tipperary — you’ve come a long way!’ Yes, wir sind
von weither gekommen. Der Spruch scheint eine Anspielung auf das alte englische
Schlachtenlied ‘It’s a long way to Tipperary’ zu sein. Doch wenn er den
Engländern zu lang war, der Weg zum irischen Tipperary, warum haben sie es dann
nicht gelassen? Den Iren wäre es bestimmt recht gewesen.
    Wir machen
Pause neben einer Parkbank, deren Sitze fehlen, hocken auf den zusammengelegten
Regenhosen, teilen uns Milch, Wasser, Brot und Käse. Der Nachtisch besteht aus
durch Feuchtigkeit zusammengeklebten Plätzchenkrümeln.
    Weiter geht
es auf der Nationalstraße mit ihren geringen Steigungen. Dann wechseln wir
wieder auf Dorfstraßen, weil wir die Dörfer lieben und den Lastwagenverkehr
nach Limerick meiden wollen. Auf den Land- und Dorfstraßen nehmen die
Steigungen zu. Ilse fährt vor mir; kaum hat sie auf einen der schwereren Gänge
geschaltet, kommt die nächste Steigung, die Kette ratscht alle Ritzel wieder
hoch bis in den Berggang. Ich mache es ihr nach, schiebe den Ganghebel bis zum
Anschlag, hinter mir hören nur die Krähen zu.
    Hecken, Bäume,
Vogelgezwitscher; plötzlich ist Sonne zu sehen, die Jacken können ausgezogen
und unter die Gepäckspinne geklemmt werden. Mit Wohlbehagen empfinden wir den
Temperaturunterschied — auch wenig mehr ist angenehm.
    Wir fahren
an langen Mauern vorbei, niedrigen, mit Efeu bewachsenen und sehr hohen, die
verschämt den Reichtum der Manor Houses, der Herrenhäuser, verdecken, die meist
weit zurück hinter Bäumen liegen. Doch nicht nur die Manor Houses werden in
Irland durch Mauern geschützt. Weiter im Norden gibt es die lose aufgestapelten
Steinmauern, die um alle Wiesen und Weiden gehäuft sind. Und diese niedrigen
Mauern gibt es zum Glück häufiger in Irland als die hohen.
    Du schaust
über die Mauer — und siehst Schafe.
    Du schaust
über die Mauer — und dahinter ist ein Friedhof.
    Du schaust
ratlos — und ein Ire kommt: Can I help you?
    Du schaust
ins Nichts — und ein Ire winkt dich ins Pub für ein Bier.
    Ist das
dieses Irische?
    Du schaust
über die Mauer — und die Sonne glitzert auf dem Shannon. Sie glitzert auf den
leichten Wellen des großen Shannon, wir kommen heute wirklich im Sonnenschein
zu seinem Ufer, bis zum Ort O’Brians Bridge, wo (next right) gleich hinter den
Bögen der Brücke aus alten Quadersteinen ein kleiner Campingplatz liegt.
     

PAUSE AM
SHANNON
     
     
    O’Brians Bridge. Mitten auf der Brücke ist die
Grenze zwischen den Counties Tipperary und Clare, sie teilen sich je drei
Bögen. Gegenüber liegt ein Ort mit sehr französischem Namen: Montpelier.
Schwarz glänzend rauscht der Shannon durch die alten Bögen an den wuchtigen
Pfeilern vorbei, schäumend am Flußufer entlang. Wir bauen unser Zelt auf,
genießen im Schneidersitz auf der Wiese sitzend Pellkartoffeln mit Eiern,
Schinken, Salz und Butter und Paprikasalat.
    Die
Campingplatz-Wirtin empfiehlt uns den ‘Riverside Walk’, er ist die Attraktion
des Ortes und ausgeschildert, obwohl niemand das Ufer verfehlen kann, der Ort
besteht fast nur aus den Häusern entlang des Flusses.
    Nach einem
kurzen Bummel über den lehmigen Treidelpfad zieht es uns unwiderstehlich in die
‘Old Mill’. Wurmstichige dunkelbraune Tische stehen auf einem alten
Steinfußboden, ein Holz- und Brikettfeuer brennt im offenen Kamin.
    Ein Bitter
Beer. Tut das gut. Ob das schöne Wetter bis morgen hält?
    Slauntje,
oder auch Slaintje! Zum Wohl!
     
    Ein
Pausentag in O’Brians Bridge. Hier gibt es Deiche. Der Shannon ist nicht
durchgängig schiffbar, man hat ein Stück Kanal parallel gebaut, der Ort
O’Brians Bridge liegt zwischen den Wassern. Die Veränderungen des Wasserweges
werden zur Energiegewinnung genutzt. Die Hauptattraktion des Ortes ist nicht, wie
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