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Zwischen Sehnsucht und Verlangen

Zwischen Sehnsucht und Verlangen

Titel: Zwischen Sehnsucht und Verlangen
Autoren: Nora Roberts
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vielleicht noch eine Chance haben, ohne Tränen zu entkommen. Eine winzige zumindest. Aber da war er schon mit ein paar Schritten neben ihr, packte ihre Handgelenke und umklammerte sie wie mit einem Schraubstock, während seine Augen die ihren mit Blicken durchbohrten.
    „Sag das nicht noch mal”, stieß er drohend zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. „Freiwillig hätte ich dich niemals in dieser Weise behandelt. Es wäre mir nicht mal im Traum eingefallen.”
    „Du hast recht.” Merkwürdigerweise war es sein Wutausbruch, der ihr ihre Ruhe zurückgab. Der sie davon abhielt, sich selbst zum Narren zu machen. „Tut mir leid, Rafe, was ich gesagt habe, war unfair, und es stimmt auch nicht”, sagte sie kühl und beherrscht.
    Ganz langsam ließ er sie los und ließ die Hände sinken. „Vielleicht war ich ja zu schnell, weil du mich so überrumpelt hast.”
    „Nein. Du warst nicht zu schnell.” Ja, jetzt fühlte sie sich wirklich sehr ruhig. Ruhig und beherrscht und sehr, sehr zerbrechlich. Zerbrechlich wie hauchdünnes Glas. Sie bückte sich, hob ihren Blazer auf und zog ihn an.
    Sollte Rafe sie jetzt noch einmal berühren, würde sie in tausend Stücke zerspringen. „Ich selbst habe schließlich diese heutige Sache inszeniert und deinen Bedingungen zugestimmt.”
    „Meine Bedingungen …”
    „Sind klar”, beendete sie seinen Satz. „Und akzeptabel. Vermutlich ist das Problem nur, dass wir beide sehr impulsiv sind und unter bestimmten Umständen eben leicht an die Decke gehen. Vergessen wir doch den Wortwechsel von eben. Er ist albern und durch nichts gerechtfertigt.”
    „Musst du so vernünftig sein, Regan?”
    „Nein, aber ich bin es eben.” Obwohl sich ihre Lippen zu einem Lächeln verzogen, erreichte es ihre Augen nicht. „Ich weiß überhaupt nicht, worüber wir eigentlich streiten. Wir haben doch das perfekte Arrangement. Eine ganz simple sexuelle Beziehung. Nicht mehr und nicht weniger. Perfekt ist es vor allem deshalb, weil wir ansonsten so gut wie keine gemeinsame Ebene haben. Also, ich entschuldige mich hiermit noch einmal, und ich hoffe, damit ist die Angelegenheit aus der Welt. Ich bin nämlich ein bisschen müde und würde jetzt ganz gern gehen.” Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn flüchtig. „Wenn du morgen Abend nach der Arbeit bei mir vorbeischaust, mache ich alles wieder gut, einverstanden?”
    „Ja, vielleicht.” Warum zum Teufel stand nicht auf ihrer Stirn geschrieben, was wirklich in ihr vorging? Er hatte doch sonst immer ganz gut ihre Gedanken lesen können, wenn er es nur ausdauernd genug versuchte.
    Nachdem sie sich mit kühler Höflichkeit voneinander verabschiedet hatten, ging sie hinaus zu ihrem Wagen, schloss ihn auf, setzte sich hinein und startete. Langsam und konzentriert fuhr sie den Hügel hinab und bog auf die Straße ab, die in die Stadt führte.
    Nach einer halben Meile lenkte sie das Auto an den Straßenrand, schaltete den Motor aus, legte die Arme aufs Steuerrad, vergrub das Gesicht darin und begann zu schluchzen.
    Es dauerte zwanzig Minuten, ehe sich der Ansturm ihrer Gefühle langsam legte. Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht und ließ den Kopf gegen die Nackenstütze sinken. Sie war vollkommen durchgefroren, aber sie hatte nicht einmal die Kraft, die Standheizung anzustellen.
    Du bist eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht, sagte sie sich.
    Und das war nicht nur ihre eigene Meinung, sondern ebenso die ihrer Mitmenschen. Sie war klug, hatte ihr Leben bestens im Griff, war in Maßen erfolgreich und ausgeglichen. Wie um alles in der Welt konnte sie nur in ein solches Chaos geraten?
    Rafe MacKade war schuld daran. Natürlich. Von dem Moment an, wo er ihr das erste Mal über den Weg gelaufen war, waren ihre Ruhe, Gelassenheit und Ausgeglichenheit dahin gewesen. Damit hatte alles angefangen.
    Sie hätte sich ihm niemals hingeben dürfen. Sie hätte es wissen müssen, dass sie nicht der Typ war, der einfach nur eine Affäre hatte, bei der die Gefühle außen vor blieben.
    Wenn sie es recht betrachtete, war ihm das allerdings auch nicht gänzlich gelungen. Auch er hatte sich in seine Gefühle verstrickt. Und es hatte sogar Momente gegeben, in denen er fast schon bereit gewesen war, etwas von sich preiszugeben. Bis sie alles kaputtgemacht hatte. Wenn sie nur ein ganz klein wenig feinfühliger gewesen wäre, wenn sie nicht so erbittert darauf versessen gewesen wäre, sich ihre Unabhängigkeit zu
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