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Zwischen Macht und Verlangen

Zwischen Macht und Verlangen

Titel: Zwischen Macht und Verlangen
Autoren: Nora Roberts
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einmal besuchen?“ Sie betrachtete ihren Bruder prüfend. Zugenommen hatte er jedenfalls nicht, man konnte ihn zwischen mager und dünn einordnen. Aber er strahlte Kraft und Ruhe aus, wie alles hier. Und deshalb war sie zu ihm gekommen, „Kochst du uns Kaffee?“
    „Ja.“ Grant begab sich durch das Durcheinander des Wohnraumes in eine erstaunlich saubere, aufgeräumte Küche. „Frühstückst du mit mir?“
    „Immer.“
    Schon wesentlich freundlicher schnitt er einige Scheiben Schinken vom Stück. „Du bist ausgesprochen schmal, Mädchen“, meinte er.
    „Besten Dank! Dann sind wir uns ja ähnlich.“
    Er murmelte etwas Unverständliches. „Wie geht es Mutter?“ fragte er schließlich.
    „Gut, denke ich. Wahrscheinlich wird sie den Franzosen heiraten.“
    „Dilleneau – mit den großen Ohren und dem begrenzten Verstand.“
    „Du sagst es.“ Shelby ließ sich auf einen Stuhl fallen. Das Fett in der Pfanne begann zu brutzeln. „Wirst du ihn unsterblich machen?“
    „Das kommt darauf an.“ Die Geschwister lachten sich verständnisinnig zu. „Mutter wäre sicher nicht überrascht, ihn als Karikatur in der Comicrubik wieder zu finden.“
    „Im Gegenteil, sie würde sich freuen,“ Shelby legte den Kopf zur Seite: „Du weißt, dass sie dich gern für ein paar Tage in Washington hätte?“
    „Mag sein.“ Grant stellte die Pfanne mit dem ausgebratenen Schinken auf den Tisch.
    „Gibt es auch Eier?“ Shelby stand auf und holte Teller und Becher. Grant schlug ein halbes Dutzend Eier in einen großen Tiegel. „Rühr sie gut“, mahnte Shelby. „Kommen schon Touristen her?“
    „Nein.“
    Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen, Shelby lachte hell auf. „Warum probierst du es nicht mit Landminen und elektrischem Draht? Du erstaunst mich immer wieder! Du verstehst deine Mitmenschen wie kein anderer, trotzdem magst du sie nicht.“
    „So solltest du das nicht formulieren.“ Die Eier waren fertig, und Grant brachte sie zum Tisch. „Ich will nur niemanden um mich haben.“ Er setzte sich und begann mit dem Frühstück. „Wie geht es deinen Untermietern?“
    Shelby stocherte auf ihrem Teller herum. Erstaunlicherweise war ihr Appetit plötzlich vergangen. Das kannte sie sonst gar nicht. „Sie leben friedlich nebeneinander“, antwortete sie und nagte am Schinken. „Kean versorgt sie, bis ich wieder zu Haus bin.“
    Grant warf ihr einen forschenden Blick zu. „Wie lange gedenkst du zu bleiben?“
    Shelby musste lachen. „Gastfreundlich wie immer. Nur ein paar Tage“, beruhigte sie ihn, „nicht länger als eine Woche jedenfalls.“ Mit übertriebener Bewegung hob sie beide Hände: „Nun bitte mich nur nicht so sehr, dass ich meinen Besuch noch weiter ausdehne, denn das ist leider unmöglich.“
    Grant würde sie verwünschen und zu ihr garstig sein, aber im Ernstfall hätte sie jahrelang bleiben können, das wusste Shelby genau. Die Geschwister waren durch ein unzertrennbares Band aneinander gebunden.
    Grant schob seinen Teller beiseite. „Nun rede schon, Shelby, was treibt dich her?“ Forschend sah er die Schwester an.
    „Ich wollte einfach mal Tapetenwechsel haben“, begann sie, doch ein kräftiges Schimpfwort beendete ihre Ausflüchte. Normalerweise hätte Shelby in gleicher Weise geantwortet oder einen Scherz gemacht, aber heute schaute sie unglücklich auf die kalten Speisereste, die vor ihr standen. „Ich musste weg“, flüsterte sie. „Mein Leben ist ein großes Durcheinander, Grant.“
    „Wessen ist es nicht?“ fragte er trocken, hob aber mit seinem schlanken Finger ihr Kinn an, um ihr ins Gesicht sehen zu können. „Nicht weinen, Shelby“, bat er leise, denn schon standen ihr die Tränen in den Augen. „Hol tief Luft und erzähl mir deinen Kummer.“
    Shelby atmete tief durch und kämpfte darum, die Tränen zurückzuhalten. „Ich habe mich verliebt, was ich nicht sollte, und er will, dass ich ihn heirate, und das kann ich nicht.“
    „Alles klar: Es handelt sich also um Alan MacGregor.“ Als Shelby ihn misstrauisch ansah, schüttelte Grant den Kopf. „Nein, es ist mir nichts gesteckt worden. Die Zeitungen haben euch in letzter Zeit ein halbes Dutzend Mal zusammen erwähnt. Immerhin gehört er zu den wenigen Leuten, vor denen ich ehrlich meinen Hut ziehen kann.“
    „Er ist ein guter Mann“, sagte Shelby und blinzelte die Tränen weg. „Vielleicht sogar ein großer.“
    „Wo sitzt dann das Problem?“
    „Ich will keinen großen Mann lieben“, rief sie heftig,
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