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Zwischen Licht und Dunkel

Titel: Zwischen Licht und Dunkel
Autoren: Ursula Spitzbart
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Das erreichte ich.
    Um meine persönliche grammatikalische Trefferquote wenigstens scheinbar zu erhöhen, eignete ich mir mit der Zeit einen kleinen Trick an: Spreche ich entsprechend schnell, lassen sich Endsilben recht unauffällig verschlucken. Es macht sich übrigens auch gut, hin und wieder irgendwo im Satz das Füllwort sko einfließen zu lassen, das in etwa dem deutschen „äh“ oder „also“ gleichkommt. Da mir aufgrund meiner fränkischen Herkunft das rollende „rrr“ angeboren ist, könnte man mich bisweilen mit einem Original verwechseln. Na ja, fast.
    Mittlerweile spreche ich fast täglich meine drei Sprachen Deutsch, Isländisch und Englisch. Zu meinem Erschrecken muß ich dabei feststellen, dass mein ehemals fließendes Englisch immer wieder ins Stocken gerät, weil mir irgendein Begriff gerade nicht präsent ist. Isländisch hat es tatsächlich geschafft, meine frühere Zweitsprache auf den dritten Platz zu verdrängen. Noch bezeichnender ist es, wenn mir ein Wort in meiner eigenen Muttersprache nicht auf Anhieb einfällt. Wie bitte übersetzt sich zum Beispiel „Lehrerkaugummi“? Die Alternative zum Tesafilm, eine Haftmasse, mit der sich zum Beispiel Papier an die Wand kleben lässt?
    Besonders in einer internationalen Gruppe kann das Hin- und Herschalten zwischen den Sprachen zu einer echten Herausforderung werden. Bisweilen ergeben sich dabei recht kreative Sprachmischungen: I hit him statt „I met him“, weil hitta auf isländisch treffen bedeutet. She leiks outside anstatt „she plays outside“, weil leika im Isländischen spielen heißt. Ich fahre raus statt „ich gehe raus“, weil sich das isländische fara auch mit gehen übersetzen lässt. Einmal übertrug ich das Wort für Gemälde direkt aus dem Isländischen ins Deutsche und machte ein „Malwerk“ daraus. Und natürlich träume ich gelegentlich auch in der Inselsprache. Untrügliche Zeichen dafür, dass ich mir meine neue Sprache mehr oder weniger verinnerlicht habe?
    „Sprachen sind der Schlüssel zu den einzelnen Kulturen“ heißt es im Leitgedanken des Vigdís-Finnbogadóttir- Institut für Fremdsprachen , einer Einrichtung der Universität von Island für Sprach- und Kulturforschung. Seine Schirmherrin Vigdís Finnbogadóttir ist zum einen ehemalige Staatspräsidentin (1980 bis 1996), die ihrer Nation zu einer Weltpremiere als erstes weibliches Staatsoberhaupt verhalf, das aus allgemeinen Wahlen hervorging. Doch auch als Verfechterin und Förderin der Sprache hat sie sich einen Namen gemacht. Dass das Thema Sprachkompetenz dabei nicht auf der theoretischen Strecke bleibt, ist offenkundig. Ich muss und will meinen Isländern an dieser Stelle ein dickes Lob für ganz hervorragende Fremdsprachenkenntnisse aussprechen. Es ist ja oft so, dass besonders die kleineren und kleinen Nationen in Sachen Sprachenvielfalt die Nase vorne haben. Bei Schweizern und Belgiern fiel mir das auch schon auf. Aus isländischer Perspektive ist es nüchtern betrachtet eine schiere Notwendigkeit, will man im Rest der Welt über die Runden kommen. Ich war noch ganz frisch im Islandgeschäft, als mich gleichermaßen ein zehnjähriges Kind und eine alte Frau mit fließendem Englisch verblüfften. Das beherrscht hier wirklich beinahe jeder, ganz altersunabhängig. Der temporäre Islandgast wird also mit Englisch bestens durchkommen.
    Der Entwicklung des Sprachgefühls ist sicher schon die Tatsache förderlich, dass das internationale Filmund Fernsehprogramm hier nicht synchronisiert, sondern in Originalsprache mit isländischen Untertiteln ausgestrahlt wird. Diese Einrichtung schränkt zwar einerseits das Fernsehvergnügen des Nicht- Isländers ein, der in der Landessprache (noch) völlig unbeholfen umherirrt. Andererseits half es mir sehr beim Isländisch-Lernen. Wörter, die sich oft wiederholten, konnte ich mir irgendwann merken, selbst wenn es sich anfangs nur um ein simples „und“ oder „ich“ handelte.
    Außerdem sind Englisch als erste und Dänisch als zweite Fremdsprache obligatorische Schulfächer. Viele Isländer ergänzen diese Pflicht gerne noch mit einer Kür und erlernen weitere Fremdsprachen. Deutsch liegt dabei gut im Rennen. Auch mein Stefán hatte sich seinerzeit für Deutschunterricht entschieden. Als ob er geahnt hätte, was ihm sein Schicksal später bescheren sollte. Wenn ich hier hin und wieder auf dänisch, norwegisch oder schwedisch angesprochen werde, ist das folglich ganz normal. Denn Skandinavier dürfen guten
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