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Zwilling verzweifelt gesucht

Zwilling verzweifelt gesucht

Titel: Zwilling verzweifelt gesucht
Autoren: Bettina Obrecht
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wir mit den Hunden? “ , schreit einer aus dem Nebenraum.
    „ Sind das Zwillinge? Sehen sie gleich aus? “
    „ Sehen total verschieden aus. “
    „ Dann schmeiß sie raus. “
    „ Aber sie sind Zwillinge “ , wende ich ein. „ Man sieht es bloß nicht. “
    Jetzt wendet sich der Regisseur mir wieder zu, aber sein Lächeln wirkt zerstreut.
    „ Was war noch mal? “
    Ich hole tief Luft.
    „ Also, meine Zwillingsschwester – die ist entführt worden, wahrscheinlich aus dem Krankenhaus. Als wir noch kleine Babys waren. Meine Eltern haben bestimmt einen Schock gehabt. Deswegen tun sie jetzt so, als hätte ich gar keine Zwillingsschwester. Aber ich weiß genau, irgendwo da draußen lebt sie. Ihr Name fängt mit S an. Selina oder so etwas. Wenn Sie im Fernsehen nach ihr suchen … na ja, sie muss ja genauso aussehen wie ich … “
    Die Wohnzimmertür geht auf und Mops und Moppel werden in den Flur geschoben. Der Regisseur legt mir die Hand auf die Schulter, aber ich spüre genau, dass er mir lieber die Hand auf den Mund legen würde.
    „ Darüber reden wir dann später, einverstanden? Was hältst du denn davon, wenn du jetzt mit deinen Hunden ein bisschen rausgehst? Achte darauf, dass sie nicht bellen. “

    Und er lässt mich einfach stehen und macht sich daran, jedes einzelne Mitglied meiner Familie in einen Filmstar zu verwandeln, bis auf mich. Mops und Moppel kratzen an der Wohnzimmertür. Jemand brüllt: „ Ruhe! “
    Ich nehme die beiden an die Leine und öffne die Haustür. Die ganze Straße ist zugeparkt. Ein paar Häuser weiter steht Frau Rabusch mit dem Besen in der Hand vor ihrem Garten und starrt herüber.
    „ Tag, Svenja! “ , ruft sie.
    Von uns Kindern scheint sie mich am liebsten zu mögen – vielleicht einfach nur, weil sie mich nicht verwechseln kann und garantiert immer den richtigen Namen benutzt.
    „ Was ist denn bei euch los? “
    „ Nur das Fernsehen “ , sage ich achselzuckend.
    Frau Rabusch wischt vor Überraschung dreimal über ein längst sauberes Stück Bürgersteig, dann sieht sie mich wieder an.
    „ Ist etwas passiert? Oder habt ihr im Lotto gewonnen? “
    „ Es ist nur wegen der drei Zwillingspaare “ , erkläre ich. „ Die meinen, dass andere Leute uns spannend finden. “
    „ Ach! Kriegt ihr denn Geld dafür? “
    Ich sehe sie verwirrt an. Stimmt! Menschen, die im Fernsehen auftreten, bekommen dafür in der Regel jede Menge Geld, oder? Ich fühle mich erst recht betrogen. Wahrscheinlich bekommen alle meine Geschwister ein dickes Honorar, sogar die Babys, und ich bin pleite wie immer! Nur weil man mir meinen Zwilling geklaut hat! Wie unfair ist das denn!
    Andererseits könnten meine Eltern gut ein bisschen Geld gebrauchen. Papa wartet immer noch auf den großen Erfolg als Erfinder. Und Mama jammert, weil das Übersetzen so schlecht bezahlt wird. Deswegen hat das Dach noch Löcher und so weiter. Ja genau, nur aus diesem Grund haben meine Eltern die Fernsehleute überhaupt reingelassen – weil wir so dringend Geld brauchen! Wir werden vielleicht reich!
    Aber das braucht Frau Rabusch nicht zu wissen – sonst besteht sie womöglich darauf, dass wir ihr einen neuen Briefkasten kaufen. Der alte ist ziemlich verbeult, seit Finn und Fabian ihn als Ziel für ihre Bogenschießübungen benutzt haben.
    „ Keine Ahnung “ , sage ich also. „ Ich weiß nicht, ob wir was kriegen. “
    Mops beschnuppert den Bürgersteig und zieht ein Gesicht, als würde er so viel lobenswerte Sauberkeit jeden Moment mit einem besonders dicken Haufen belohnen. Ich ziehe ihn schnell weg.
    „ Ich muss jetzt los! “
    „ Du musst mir aber später alles erzählen, ja? “ , beharrt Frau Rabusch.
    „ Mach ich. “
    Ich unternehme einen ganz, ganz langen Spaziergang – so lang, dass er eigentlich für zwei reichen würde.

Als ich von meiner großen Runde zurückkehre, sind die beiden Hunde vollkommen platt und meine Füße fühlen sich an, als würden sie rot glühen. Die Autos mit den Großstadt-Nummernschildern sind verschwunden. Im Haus ist es unheimlich still. Vielleicht sitzen sie jetzt alle im Wohnzimmer und zählen ihr Geld. Ich warte ab, ob ein Sektkorken knallt, ziehe meine Schuhe aus – meine Füße rauchen nicht, sie stinken nur, schade.
    Mein Herz klopft wie verrückt, als ich vorsichtig die Wohnzimmertür aufdrücke. Mama liegt auf dem Sofa, ihr rechter Arm baumelt dramatisch über die Kante. Finn und Fabian kleben mit Kopfhörern auf den Ohren vor der Glotze, in der irgendwas läuft,
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