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Zwilling verzweifelt gesucht

Zwilling verzweifelt gesucht

Titel: Zwilling verzweifelt gesucht
Autoren: Bettina Obrecht
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gar keine Wiederholung geben. “
    Alisia hört mir nicht zu. Stattdessen zieht sie einen Stadtplan aus der Tasche und wedelt damit herum. Die Tauben trippeln wieder näher und strecken die Hälse. Es könnte ja sein, dass Alisia in den Stadtplan noch ein leckeres Pausenbrot eingewickelt hat. Hat sie aber nicht. Nur ein leuchtend grüner Post-It-Kleber prangt auf dem Stadtplan, ungefähr an der Stelle, an der auch die Schule eingezeichnet ist.
    „ Wir haben Familie Quirin, Familie Quast, Familie Quong und Familie Quintana “ , liest Alisia vor. „ Mit welcher sollen wir anfangen? “
    „ Wie, anfangen? “
    Eine Taube pickt nach meinem Schnürsenkel. Ich verscheuche sie mit einem Fußschlenkern.
    „ Wir rufen sie an “ , erklärt Alisia. „ Was denn sonst? “
    Wie stellt sie sich das denn vor? „ Hallo, Frau Quirin, wir wollten nur mal nachfragen, ob sie vor ungefähr elf Jahren ein Baby aus dem Krankenhaus geklaut haben? Nein? Ach, dann entschuldigen Sie die Störung. “
    Alisia tippt schon die erste Nummer ein. Mein Herz klopft wie wild. Vielleicht ist Alisia verrückt. Vielleicht ist sie das geniale Bond Girl. Vielleicht befinden wir uns alle in einem merkwürdigen Film und hinter dem Indianerstandbild lauert ein Kameramann mit einem rot-golden dekorierten Geschenkkorb.
    „ Hallo “ , flötet Alisia. „ Hier spricht Anna. “ Anna ist der häufigste Mädchenname an unserer Schule. „ Ich gehe mit ihrer Tochter in dieselbe Klasse. Könnten Sie sie bitte mal kurz ans Telefon holen? “
    Sie lauscht und sieht mich dabei siegessicher an. Dann verändert sich ihre Miene.
    „ Oh entschuldigen Sie. Dann bin ich falsch verbunden. “
    Sie klickt die Verbindung weg.
    „ Was war? “ , möchte ich wissen.
    „ Sie hat eine Tochter, aber die ist erst sieben. Gerade mal erste Klasse. “
    „ Keine ältere Schwester? “
    „ Vergiss es. “ Sie hält mir das Telefon hin. „ Jetzt bist du dran. “
    Ich zucke zurück, halte die Luft an. „ Ich kann das nicht. “
    „ Klar. Du hast doch jetzt gesehen, wie es geht. “
    Ehrlich gesagt: Es gibt Momente, in denen ich Alisia nicht leiden kann. Für sie ist immer alles so einfach. Telefonieren zum Beispiel. Ich bin nicht Alisia. Ich bin schüchtern. Jedenfalls meistens. Und besonders am Telefon. Aber blamieren darf ich mich jetzt auch nicht. Und davon abgesehen: Es geht um meine Schwester. Also übernehme ich das Telefon und tippe mit klopfendem Herzen die Nummer von Familie Quast ein. Ich lausche auf das Tuten im Telefon. Ein Anrufbeantworter klickt sich ein.
    „ Tach “ , brummt eine tiefe Stimme. Herr Quast muss mindestens achtzig sein. „ Hinterlassen Sie nur eine Nachricht, wenn es wirklich dringend ist. Ansonsten können Sie mich ja später noch mal anrufen. Weiß allerdings nicht, ob ich dann drangehe. Piep. “
    „ Nur ein alter Griesgram “ , stelle ich erleichtert fest und reiche Alisia das Telefon wieder. „ Der hat bestimmt keine so junge Tochter. Bestenfalls eine Urenkelin. “
    „ Okay. “ Unbeeindruckt tippt Alisia die nächste Nummer. Es geht keiner dran, also versucht sie es gleich mit der vierten und letzten Familie. Als sie ihren Spruch aufgesagt hat, lauscht sie einen Moment lang konzentriert. Sie sieht mich an, ihre Augen funkeln.
    „ Gut. Dann rufe ich später noch mal an. Danke schön. “ Sie legt auf. „ Treffer! Sie hat eine Tochter in der Fünften. “
    „ Okay “ , sage ich vorsichtig. „ Und jetzt? “
    „ Um fünf ist die Tochter wieder da “ , erklärt Alisia. „ Dann fahren wir hin. Es ist nicht weit. “
    „ Spinnst du? “
    Gut, dass in diesem Moment mein Handy klingelt. Ich habe ganz vergessen, dass meine Eltern mich als Babysitter brauchen. Mama muss Papa helfen, seine neueste Erfindung bei der Erfindermesse in der Nachbarstadt aufzubauen. Papa hat ein neues Gerät entwickelt, mit dem man ganz unkompliziert die Lautstärke in Kinderzimmern messen kann. Sobald eine bestimmte Lautstärke überschritten ist, spielt das Gerät automatisch übelste Schlager ab und hört erst wieder auf, wenn es eine Weile leise ist. Es hat ein extrem stabiles Gehäuse und verstummt auch dann nicht, wenn man einen Hausschuh oder Ähnliches dagegen schleudert. Mama zweifelt heimlich ein bisschen am großen Verkaufserfolg, weil sie meint, die meisten Eltern können diese Art Schlager selbst nicht ausstehen. Aber Papa ist sich ganz sicher, dass wir demnächst endlich reich werden. Er hat das Gerät in unseren Zimmern ausführlich
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