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Zwienacht (German Edition)

Zwienacht (German Edition)

Titel: Zwienacht (German Edition)
Autoren: Raimon Weber
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Arbeit abrupt ein.
    Richard wankte in die Küche, er brauchte dringend etwas zu trinken. Im Kühlschrank befand sich nur ein halbleeres Tetrapack Milch. Richard nahm einen Schluck und spuckte die Milch angewidert in den Spülstein. Sie war sauer geworden. Die ständigen Kopfschmerzen und der Mangel an Schlaf machten es immer schwerer, Alltäglichkeiten wie den Kauf von Lebensmitteln zu bewältigen. Wenn er sich dazu aufraffte in den nächsten Supermarkt zu gehen, stand er ratlos zwischen den Regalen, unfähig sich daran zu erinnern, was er benötigte.
    Richard spülte sich den Mund mit Wasser aus dem Kran aus. Er setzte sich an den Küchentisch und starrte das Bild an der gegenüberliegenden Wand an. Es zeigte einen norwegischen Fjord, dessen stahlblaues Wasser von einem winzig erscheinenden Fährschiff durchpflügt wurde.
    Bei seinem ersten Urlaub in Norwegen hatte er sich gleich in das Land verliebt. Die Weite mit seinen wenigen und unaufgeregten Einheimischen schien wie für ihn gemacht. Er bevorzugte die Einsamkeit, hatte nie die Nähe vieler Menschen gesucht und fühlte sich in großen Städten, in denen sich im Sommer die Hitze staute, während sie in den kalten Monaten grau und abweisend wirkten, eingeengt.
    Das Bild strahlte eine ungeheure Ruhe aus. Richard verlor sich darin, ohne es richtig wahrzunehmen, spürte nicht wie die Augenlider zu flattern begannen und er von einer Sekunde zur anderen einnickte.
    Als er erwachte, wusste er nicht, wie lange er sitzend und den Kopf in die rechte Hand gestützt, geschlafen hatte. Die Nacht drängte sich noch immer ohne eine erste Ankündigung des Tages gegen die Fenster.
    Aber etwas war anders. Alles um ihn herum wirkte unscharf. Er betrachtete den Tisch, den Küchenschrank und auch den norwegischen Fjord durch feinen Nebel. Richard tastete nach seiner Brille und setzte sie auf. Der Trübung verschwand nicht. Richard streckte die Hand aus, als könnte er den Nebel greifen, aber er fühlte nichts, nur schien seine Hand die Luft um ihn herum in Bewegung zu versetzen. Erstaunt stellte er fest, dass dieses Phänomen von farbigen Schlieren begleitet wurde. So, als würde er in einer öligen Pfütze rühren.
    Das liegt nur an der Schlaflosigkeit, versuchte er sich einzureden, ohne verhindern zu können, dass sich sein Herzschlag beschleunigte. Vielleicht war es aber auch der Anfang von etwas, wovor er sich am meisten fürchtete.
    Er vollführte mit dem Zeigefinger ein paar schnelle Drehungen und erzeugte dabei einen schillernden Strudel unmittelbar vor seinem Gesicht. Er schloss die Augen, aber der bizarre Anblick schien sich auf seinen Lidern eingebrannt zu haben.
    Das Radio im Schlafzimmer spielte etwas von Vicky Leandros. Richard kannte das Lied aus seiner Kindheit. Doch die Stimme wurde von einem feinen Flirren begleitet. Ein Geräusch, das Richard zu seiner eigenen Verwunderung sofort mit Lametta assoziierte.
    Veränderung der visuellen und akustischen Wahrnehmung, stellte Richard fest und stand kurz davor, laut aufzuschreien. Nur der Gedanke an den morgigen Termin bewahrte ihn davor. Er öffnete die Augen. Die Luft war klar. Zögernd streckte er die Hand aus, spreizte die Finger. Keine Schlieren.
    Vielleicht ist es nur ein Wachtraum gewesen.

Maria

    Ungefähr zwei Stunden nach dem Aufstehen fühlte er sich meistens am besten. Nicht frisch, geschweige denn vom kommenden Tag inspiriert, aber er war manchmal sogar rege genug, um am Computer ein paar Sätze zu konstruieren. Ab Mittag ließ seine Energie dann rapide nach.
    Heute war es allerdings anders, die Erinnerung an die merkwürdigen Wahrnehmungsstörungen ließ ihn nicht los. Der Monitor blieb schwarz und Richard ertappte sich dabei, wie er immer wieder auf die Uhr blickte.
    Um fünf Minuten nach neun hörte er den kleinen Fiat kommen. Er hatte extra eines der beiden Schlafzimmerfenster einen Spalt weit geöffnet, um die Ankunft nicht zu versäumen.
    Unten vor dem Haus wurde der Motor abgestellt, dann öffnete sich die Fahrertür. Richard beobachtete, wie die Frau mit den schulterlangen braunen Locken aus dem Wagen stieg. Sie trug wie immer einen weißen Kittel. Richard schätzte sie aus der Entfernung auf Mitte dreißig. Sie hatte einen südländischen Teint und war nicht viel größer als ein Meter sechzig.
    Er war sich darüber im Klaren, dass ihre zierliche Statur den Beschützerinstinkt in ihm auslöste, aber da war auch dieses Lächeln in ihrem Gesicht. Sie lächelte jeden Morgen ohne ersichtlichen Grund. Da
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