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Zwei wie wir: Roman (German Edition)

Zwei wie wir: Roman (German Edition)

Titel: Zwei wie wir: Roman (German Edition)
Autoren: Philip Tamm
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versuche ich ungefähr tausendmal mit Inna zu sprechen. Ich rufe sie an, aber sie legt einfach auf. Und zwar ganz egal, was ich zu ihr sage. Dass ich sie immer noch liebe – aufgelegt. Dass ich mir einen Arm abhacken würde, um es ungeschehen zu machen – aufgelegt. Dass ich noch ein Bein und den anderen Arm drauflege – aufgelegt. Dass ich wirklich der größte Idiot aller Zeiten gewesen bin – nein, sie legt nicht auf, sondern sagt: »Stimmt, Alex. Das warst du wirklich.«
    »Aber ich hab’s endlich kapiert, Inna. Ich werde mich ändern.«
    Aufgelegt.
    N i cht einmal meine Appelle wegen der Kinder helfen. Inna möchte einfach nicht mit mir reden. Nicht so lange ich so bin, wie ich bin. Sie bräuchte erst einmal ihre Ruhe. Sie könne mich ohnehin zurzeit nicht ertragen. Immerhin teilt sie mir das mit. Per Mail. Ohne Anrede. Ohne Gruß.
    Ich strapaziere die Kapazität ihrer Mailbox und sage, dass es so viele Dinge gäbe, die uns verbinden – die Kinder, das Haus, die Ratenzahlungen für den Wagen, unser Fernseh-Lotterielos. Erst lässt sie meine Nummer für Anrufe sperren, dann deaktiviert sie ihre Mailbox.
    E i ne Woche vergeht, und ich habe eine Laune wie Godzilla, während er auf New York zuschwimmt, um es in Schutt und Asche zu legen. Ich koche, ich brodele, ich könnte Feuer spucken. Nicht wegen ihr. Wegen mir.
    A l le möglichen Leute kommen im Schuster’s vorbei und versuchen mit mir zu reden. Es ist auch nicht so, dass ich mich über ihr Auftauchen nicht freuen oder ihnen nicht zuhören würde. Ich sage bloß nichts. Ich nicke, schüttle mit dem Kopf, gestikuliere mit den Händen oder höre einfach nur zu. Aber ich antworte nicht. Ich schweige. Ich habe nichts mehr zu sagen. Bin immer noch wie Godzilla, nur diesmal mit einem riesigen Betäubungspfeil im Rücken.
    I c h war in unserer Beziehung nie der Esoterische. Das war Innas Job. Sie hat meditiert, Tai Chi gemacht, das Haus mit Bachblüten eingesprüht, an Weihnachten die tibetischen Klangschalen geläutet. Eigentlich ist mir das immer auf die Nerven gegangen. Es war ihr Ding.
    Jetzt aber passiert irgendetwas mit mir. Es kommt mir vor, als wäre ich von einer Glocke aus reiner Stille umgeben. Vielleicht die Nachwirkung meiner Begegnung mit dem Lama. Die Geräusche von draußen dringen nur gedämpft zu mir vor. Und ich selbst gebe keinen Mucks von mir. Gar nichts. Ich schweige eisern. Tagelang. Keine Ahnung, was mit mir vorgeht. Die Wochen, die hinter mir liegen, kommen mir im Rückblick wie intensiver, unerträglicher Lärm vor.
    Jetzt herrscht endlich Stille.
    » E r ist endgültig durchgeknallt«, sagt Erik eines Abends im Schuster’s zu Bernd.
    »Blödsinn, er trauert«, antwortet dieser und schenkt mir einen mitleidigen Blick, den ich so gerne haben möchte wie Beulenpest.
    Erik wendet sich mir zu. »Hey, Alex. Du könntest doch einfach einen Block und einen Stift mit dir rumschleppen. Und immer wenn du etwas sagen willst, schreibst du es einfach auf. Nein? Keine gute Idee? Okay, dann halt nicht.«
    Bernd, der damit beschäftigt ist, Gläser zu polieren – er hilft jetzt regelmäßig im Schuster’s – hüstelt und sagt: »Ich glaube übrigens nicht, dass es mit dir und Inna ernsthaft vorbei ist, Alex. Das kann doch gar nicht sein. Ihr gehört doch zusammen, ihr zwei.«
    Ich rupfe das Geschirrhandtuch aus meinem Gürtel und knalle es auf den Tresen. Dann verlasse ich das Schuster’s. Wortlos.
    I c h hätte gerne ein Panini mit Tomate und Mozarella. Und eins mit Serrano und Rucola. Und eins mit französischer Salami. Und eins mit … ach ne, ich nehme lieber noch einen Hirtensalat.«
    Nachdem Sascha seine Bestellung aufgegeben hat, hieft er seine Kilos auf einen der Tresenhocker.
    »Hi, Alex. Wie geht’s dir?«
    »Er redet nicht«, antwortet Erik für mich.
    »Echt? Seit wann?«
    »Seit Inna einen anderen hat.«
    »Und wieso redet er dann nicht? Gott, ist doch nicht so schlimm. Frauen kommen und gehen. So ist das Leben.«
    »Sag so was nicht. Er redet zwar nicht, aber er kann dir trotzdem an die Kehle gehen.«
    »Ich meine ja nur. Jetzt weiß er endlich, woran er ist. Etwas Altes hört auf, etwas Neues beginnt.«
    »Vielleicht will er lieber das Alte«, sagt Bernd.
    Sascha zuckt mit den Schultern, leckt sich schmatzend die Finger ab und sagt: »Erik, mach mir bitte noch einen Wrap mit Cajun-Chicken. Und extra viel Sauce. Wie üblich.«
    Während Sascha seinen Wrap kaut, beobachtet er mich. Er gibt sich auch gar keine Mühe, es zu verbergen.
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