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Zwei Mädels. Ein Weg. Ein Zelt.

Zwei Mädels. Ein Weg. Ein Zelt.

Titel: Zwei Mädels. Ein Weg. Ein Zelt.
Autoren: Mady Host
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in meine silberne Alutrinkflasche und pausieren einen Augenblick. Cornelia, die sich zügig an dem vollmundigen Rotwein labt, erweckt den Eindruck als sei sie dem Versuch, die Ermüdung einfach zu ertränken, verfallen. Nachdem sie schließlich feststellt „sie hätte von den paar Schlucken einen kleinen Schwips“, schleppen wir uns mühselig weiter. Nach kurzer Zeit entdecken wir am Wegesrand eine Lücke im Gestrüpp, durch die wir ein Weintraubenfeld erreichen. Zwischen den Reben und dem Gebüsch errichten wir unser Nachtlager. Mittlerweile dämmert es schon. Trotzdem lassen wir uns unsere spartanische Fußwäsche, verbunden mit einer jeweils eigens durchgeführten Fußmassage, nicht nehmen. Unser Wildnisshampoo und ein halber Liter Wasser stellen eine ausreichende Basis dafür dar.
    Dem Reinigungsprozedere folgt das Abendessen. Während wir zufrieden unsere Baguettes kauen und Cola trinken, vernehmen wir plötzlich ein Rascheln. Wir zwei Angsthasen sehen uns regungslos und mit voll gestopften Wangen an und erblicken plötzlich ein Tier, das durch die Weinpflanzen huscht. Was um Gottes Willen bewegt sich da so flink auf uns zu? Beruhigt stellen wir fest, dass es sich zum Glück nur um einen Hund handelt, der sich zunächst schnüffelnd nähert und das Feld dann wieder verlässt. Bevor wir uns schlafen legen, kommen wir zu dem Schluss, dass es irgendwie immer schlimmer geht. Den Anlass für diese Feststellung gab uns bereits der heutige Nachmittag; denn auf tragische Weise verlor ich heute im Laufe des Tages meinen BH. Ich hatte den Fummel, nach der Reinigung im Todesfluss, mit einer Sicherheitsnadel — warum das Ding diesen Namen verdient haben soll, ist mir nicht klar — an meinem Rucksack befestigt. Bei irgendeiner Pause fiel mir blitzartig auf, dass sich die Nadel gelöst hatte und der BH jetzt wohl Bestandteil irgendeines Busches am Wegesrand sein musste. Bleibt zu hoffen, dass es kein allzu üppiger Busch war... Einige Zeit später hatten sich auch meine Sandalen vom Rucksack gelöst, was mich sehr beunruhigte, da ich diese als Wechsel — und Badeschuh sehr schätze. Ich stellte also meinen Rucksack ab und ließ die geduldig wartende Cornelia für mindestens 30 min zurück, bis ich erleichtert mit meinem Schuhwerk zurückkehrte. Was für ein Glück, dass mein einziger BH und nicht meine Sandalen unauffindbar blieben!
    Es geht also immer schlimmer, tröstet mich Cornelia lachend über meinen Verlust hinweg. Bestätigung findet diese Weisheit auch in der Tatsache, dass es sich bei unserem abendlichen Besucher auf dem Weinfeld um einen Hund und nicht um einen Bären handelt.

03. Pilgertag
    ETAPPENZIEL: LOS ARCOS

    Heute Morgen brechen wir gegen 9:00 Uhr in das 20 km entfernte Los Arcos auf. Obwohl die Strecke lange, menschenleere und sehr heiße Abschnitte beinhaltet, lassen sich die ersten neun Kilometer sehr zügig laufen, während sich die folgenden elf bis zwölf Kilometer scheinbar endlos ziehen. Dennoch erreichen wir Los Arcos bereits gegen halb vier und erfrischen uns zunächst an einer Trinkwasserquelle. Halbwegs kultiviert lassen wir uns danach in einem Straßencafé auf der niedlichen Plaza Santa María nieder. Weil wir am Abend die Pilgermesse besuchen wollen, erkundschaften wir schon mal die Gegend und suchen nach einem sicheren Zeltplatz. Wir werden auf einer kleinen Anhöhe zwischen dem Dorfende und einer Landstraße fündig und bekunden die umliegenden Bäume und Steine als ausreichende Sichtbarrieren.
    Nach einer kurzen Rast kehren wir in das Dorfinnere zurück, kaufen in einem kleinen Lebensmittelladen ein und genehmigen uns auf einer Bank vor der Kirche ein Baguette und eine große Portion russischen Salat. Während wir hier so sitzen und von unserer rustikalen Banketttafel speisen, ernten wir einige mitleidige aber auch anerkennende Blicke. Es gibt sogar Mitmenschen, die sich für ein Gespräch mit uns hungrigen Mädels interessieren. So schließen wir mit Willi, einem sympathischen Nürnberger, Bekanntschaft und plaudern eine Weile. Wir erzählen ihm, dass wir auf die Pilgerherbergen verzichten und im Zelt schlafen. Er ist hellauf begeistert und zollt uns seinen Respekt für diese simple Reiseform.
    In Deutschland ist Willi in einer Bank tätig und hat für seine Reise erfolgreich einige Wochen unbezahlten Urlaub beantragt. Er ist hin und weg von Cornelias Wanderstab, den ihr Vater eigenhändig für sie fertigte. Auf dem Stock hat er vier Fische, die ihre Familie symbolisieren sowie
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