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Zwei Herzen im Winter

Zwei Herzen im Winter

Titel: Zwei Herzen im Winter
Autoren: MERIEL FULLER
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versammelt hatte, gefolgt von Guillame auf der braunen Stute.
    „Ganz meinerseits“, murmelte Emmeline, an seinen breiten Rücken gerichtet.
    „Du wirst es nicht glauben, Maman . Der unhöflichste Rüpel, der mir je begegnet ist!“ Emmeline saß auf dem Hocker und rieb sich die Arme, ihre Hände und Füße fühlten sich eiskalt und taub an vom langen Warten auf der Mole. Und sie war noch aufgewühlt von der unliebsamen Begegnung mit diesem Lord Talvas, der ihr schmachvoll bewiesen hatte, wie töricht ihr Vorsatz war, sich nie wieder von einem Mann einschüchtern zu lassen. Mit klammen Fingern tastete sie nach dem Amulett aus Jade an ihrem Hals. Es gab ihr Trost, den kostbaren Stein zu spüren, und sie dachte an die weisen Worte ihres Vaters. Anselm Duhamel hatte gelegentlich eines seiner Schiffe auf große Fahrt begleitet. Von einer Handelsreise nach Norden hatte er ihr die Halskette mitgebracht. Noch im gleichen Jahr war das Unglück geschehen. Sein Schiff zerschellte an der Felsenküste, und alle Mann an Bord ertranken. Das war kurz vor ihrem fünfzehnten Geburtstag gewesen. Emmeline hatte den schmerzlichen Verlust nie wirklich überwunden, was sie sich aber nur selten eingestand. Sie wusste jedoch auch, dass ihr Vater stolz auf sie wäre, weil sie sein Vermächtnis in Ehren hielt. Vorsichtig steckte sie das Amulett wieder in den Ausschnitt ihres hellgrünen Bliauts, jenes in der Taille geschnürten Übergewands .
    „Halt still, Kind, sonst kann ich dein zerzaustes Haar nicht entwirren“, schalt ihre Mutter. Felice Duhamel zerrte unbarmherzig mit einem Hornkamm an den langen Locken. „Wie war gleich der Name des Mannes?“
    Emmeline griff nach dem Becher mit gewürztem heißen Apfelmost. Der heiße Dampf wärmte ihr die Finger und das Gesicht. Vorsichtig nippte sie daran, um sich den Mund nicht zu verbrennen. Das süße Gebräu benetzte ihre Kehle und breitete eine wohltuende Wärme in ihr aus, wirkte wie Balsam auf ihren inneren Aufruhr.
    „Emmeline?“
    „Sein Name ist Lord Talvas of Boulogne. Ich habe noch nie von ihm gehört, aber Geoffrey meint, ich müsse ihn kennen.“
    Das Zerren hörte auf.
    „ Maman? “ Emmeline drehte sich über die Schulter zu ihrer Mutter um, die schreckensbleich geworden war. In der engen Stube war es halbdunkel. Draußen hatten sich graue Wolken vor die Sonne geschoben, es würde bald regnen.
    „Guter Gott, Emmeline, was hast du zu ihm gesagt? Lord Talvas ist aus königlichem Geblüt … du weißt, wer sein Schwager ist …“
    „Ja, das weiß ich, Maman “, fiel Emmeline ihr ins Wort. „Er ist ein angeheirateter Neffe des Königs von England und Herzogs der Normandie …“
    „Er hätte dich in den Kerker werfen können wegen deiner Aufsässigkeit.“
    Emmeline stellte den Becher hart auf den hell gescheuerten Eichentisch, sprang auf und zog an dem Kamm, der sich im Gewirr ihrer Haare verheddert hatte. Ihre grünen Augen funkelten vor Zorn bei dem Gedanken an den abscheulich hochnäsigen Kerl. Durch das hastige Aufspringen fuhr ihr ein stechender Schmerz in den verletzten Fußknöchel, sie suchte Halt am Küchentisch, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
    „Ich weiß nur, Mutter, dass er mich beschuldigte … ein loses Frauenzimmer zu sein.“ Da! Sie hatte es ausgesprochen.
    Ihre Mutter starrte sie mit offenem Mund an. „Mein Gott, Emmeline!“ Felice griff nach den kalten Händen ihrer Tochter. „Was hast du getan? Lieber Himmel, es ist alles meine Schuld. Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass du mit offenem Haar aus dem Haus läufst.“
    Emmeline biss sich schuldbewusst auf die Unterlippe. Sie hätte ihre Mutter nicht aufregen dürfen, die furchtbar unter dem Verlust ihres Ehemanns gelitten hatte und nach seinem Tod tagelang weinend im Bett lag. Emmeline war stets bemüht, ihr keinen Kummer zu bereiten, wollte sie trösten und beschützen. Nun ging sie vor ihr in die Knie und nahm sie bei den Händen. „Nimm es dir nicht zu Herzen, Mutter. Er hat gewiss bereits vergessen, dass ich überhaupt existiere. Im Übrigen wurde das Missverständnis mit Geoffreys Unterstützung aufgeklärt, der ihm sagte, wer ich bin. Wahrscheinlich sehe ich den Mann nie wieder in meinem ganzen Leben.“ Sie richtete sich auf und nahm ihre Mutter in die Arme. „Willst du mir das Haar weiter kämmen und zu einem ordentlichen Zopf flechten?“ Sie reichte Felice den Kamm und setzte sich wieder ans Feuer.
    Felice musterte ihre Tochter bang, bevor sie den Kamm wieder durch das lange
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