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Zwei Herzen im Winter

Zwei Herzen im Winter

Titel: Zwei Herzen im Winter
Autoren: MERIEL FULLER
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Unwillkürlich legte sie die Hände schützend an ihren flachen Leib. „Ich will dich heiraten.“
    Ihre Stimme war tonlos, sie senkte ergeben den Blick. Und Talvas schämte sich. Das Kind, das sie unter dem Herzen trug, zwang sie, sich seinen Forderungen zu beugen. „Wäre dieses Kind nicht, Emmeline, hättest du mich verlassen.“ Seine Stimme klang hohl.
    „Nein, Talvas, das hätte ich nicht übers Herz gebracht. Ich war zornig, weil du mich nötigen wolltest, etwas zu tun, womit ich nicht wirklich einverstanden war. Aber unser Kind zwang mich, ernsthaft nachzudenken, was ich aufgeben würde.“ Sie berührte seine Wange. Der weite Ärmel rutschte nach hinten und entblößte ihren schlanken hellen Arm. Bei der federleichtern Berührung ihrer Finger kniff er die Augen zu. Es war ihm unerträglich, sie so niedergeschlagen und schicksalsergeben zu sehen. Sie wäre mit dem Kind bei ihm geblieben, obwohl sie nicht bereit war, seine Bedingungen anzunehmen. Er hatte sie gezwungen, das aufzugeben, was ihr am kostbarsten war: ihren freien Willen. Fühlte er sich deshalb so elend?
    Die kleine Kapelle von Hawkeshayne, an einen Wehrturm geschmiegt und an zwei Seiten von den Mauern des äußeren Burghofes geschützt, war in aller Eile für die Hochzeitsfeier geschmückt worden. Die polierten Schilde und überkreuzten Schwerter, die an den weiß gekalkten Mauern lehnten, glänzten in den Strahlen der Morgensonne, die gebündelt durch die hohen schmalen Bogenfenster hinter dem Altar einfielen. Die Bewohner von Hawkeshayne betraten die Kirche durch das reich verzierte Rundbogenportal, und ihr Flüstern erstarb, als sie im Kirchenschiff Aufstellung nahmen. Einige tuschelten noch etwas über einen Streit ihres Herrn mit seiner Verlobten, und dass die Hochzeit von einem Geheimnis überschattet sei, da sie so überstürzt stattfinden sollte. Andere schmunzelten wissend, stießen einander heimlich mit den Ellbogen an und erinnerten sich an das Festmahl vor wenigen Tagen, als Lord Talvas seine Auserwählte entführt hatte, bevor sie auch nur einen Bissen von dem köstlichen Essen zu sich nehmen konnte.
    Talvas hörte das Raunen hinter sich, hob den Blick zum Fenster, durch das die Lichtbündel auf den mit einem blütenweißen Tuch bedeckten Altartisch fielen, und weiter hinauf bis in die Kuppel. Betete er um sein Seelenheil, um ein Zeichen, dass er das Richtige tat? Er hätte gern die Stirn gegen die kühle Säule neben ihm gelehnt; sein Schädel brummte von den Nachwirkungen des Zechgelages am Abend zuvor. Um Emmelines Bild zu verdrängen, die sich demütig und ohne Widerspruch seinem Willen beugte, hatte er einen Becher nach dem anderen des starken Gebräus in sich hineingeschüttet, ohne seine nagenden Zweifel verscheuchen zu können.
    Der Priester zog einen mehrarmigen Kerzenleuchter näher zu den Altarstufen, und Talvas schnitt bei dem Geräusch eine schmerzliche Grimasse. Eine der dicken Kerzen stand schräg im Halter, flüssiges Wachs tropfte auf die Steinfliesen, breitete sich zu einer Pfütze aus, ehe es erstarrte. Talvas liebte Emmelines eigensinnigen Freiheitsdrang, ihren unbeugsamen Willen – hatte er das zerstört, was er so sehr an ihr schätzte und bewunderte? Würde sie ihn dafür später einmal hassen und verachten? Würde er durch diese erzwungene Heirat ihre Zuneigung, ihre Liebe für immer verlieren?
    Tief in düstere Gedanken versunken, erschrak er, als eine Hand sich an seinen Ellbogen legte.
    „Bist du bereit?“, murmelte Stephen an seinem Ohr.
    Talvas versuchte, das quälende Pochen in seinen Schläfen zu verdrängen, und wandte sich seinem Schwager zu, der in seiner scharlachroten, goldbestickten Tunika eine prächtige Erscheinung abgab. „Nein“, entgegnete er. „Schick mir Matilda. Sie muss mir einen Gefallen tun.“
    „Was sagte er?“, entfuhr es Emmeline erschrocken. Der Brautkranz entglitt ihren Fingern, die getrockneten Blüten aus Lavendel und Rosen fielen raschelnd zu Boden. Mit zitternden Fingern strich sie glättend über die kostbare blaue Seide ihres Hochzeitskleids. „Ich weiß nicht, ob ich richtig verstanden habe.“
    „Ich jedenfalls begreife ihn nicht“, erwiderte Matilda erbost. „Er eröffnete mir soeben, er gibt dir die Freiheit, zu gehen. Was denkt er sich? Du bist doch keine Gefangene!“
    „Das … verstehe ich nicht?“, stammelte Emmeline. Und dann traf sie die Erkenntnis wie ein Blitz – und ihr Herz machte einen Freudensprung. „Was für ein Narr!“
    „Völlig
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