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Zwei Herzen im Winter

Zwei Herzen im Winter

Titel: Zwei Herzen im Winter
Autoren: MERIEL FULLER
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plötzlich auf. „Gütiger Himmel, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du erwartest ein Kind!“ Emmeline hatte den Eindruck, Matildas Stimme dringe bis in den letzten Winkel der Halle. Kalter Schweiß trat ihr auf die Stirn.
    Mühsam unterdrückte sie ein hysterisches Kichern. „Nein, Matilda, wie kommst du nur auf diese abwegige Idee?“ Sie schob sich einen Bissen Brot in den Mund und hoffte inständig, dass Talvas nichts gehört hatte. Hitze stieg ihr ins Gesicht, als sich ihr die Erinnerung an ihre gemeinsame Liebesnacht aufdrängte.
    „Sieh nur, wie du errötest!“ Matilda missdeutete Emmelines Schamröte.„Verzeih, wenn ich dich in Verlegenheit gebracht habe. Aber warte nur, bis du eine alte verheiratete Frau bist wie ich.“
    Emmeline senkte den Kopf und versuchte den Bissen zu schlucken, der ihr wie ein Stein im Mund lag. Am liebsten hätte sie sich unter dem Tisch verkrochen und sich unsichtbar gemacht. Die Übelkeit verstärkte sich, Speichel sammelte sich in ihrem Mund, den sie widerwillig schluckte.
    „Ich muss hier raus“, murmelte sie, stieg unbeholfen über die Bank und floh aus der Halle. Durch die Küche lief sie in den inneren Burghof. An der sonnenwarmen Mauer lehnte sie die Stirn gegen den rauen Stein und kämpfte gegen die Übelkeit an. Sie hatte am Abend zuvor nichts gegessen, in der Hoffnung, mit leerem Magen während ihrer Unterredung mit Talvas nicht von der morgendlichen Übelkeit befallen zu werden. Aber nun zitterte sie am ganzen Körper vor Schwäche. In diesem Zustand konnte sie ihm unmöglich unter die Augen treten. Sie musste sich zurückziehen, bis das Schlimmste vorüber war. Dann würde sie einen neuerlichen Versuch machen.
    Mit geschlossenen Augen atmete sie tief durch und flehte inständig, Talvas habe keine Notiz von ihrer hastigen Flucht genommen. Dennoch war dieser Platz, nur wenige Schritte vom Kücheneingang entfernt, nicht sicher. Sie musste weg, und zwar so schnell sie konnte. Sie stieß sich von der Mauer ab, ihr Blick irrte durch den Hof auf der Suche nach einem Versteck.
    Die Ställe an der äußeren Burgmauer würden ihr Zuflucht bieten, dort würde er sie nicht finden. In fieberhafter Hast schob sie den rostigen Riegel an der Stalltür zurück, huschte ins Halbdunkel und stolperte blind über den mit Stroh bedeckten Lehmboden. Der Wallach wieherte leise zur Begrüßung und stupste seine samtweiche Schnauze in Emmelines Hand. Als ihre Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten, entdeckte sie die wackelige Leiter, die zum Heuboden führte. Mit einiger Mühe kletterte sie hinauf, ließ sich fallen und barg ihr Gesicht ins duftende Heu, das sie an lange sonnige Sommertage erinnerte.
    „Wann wolltest du es mir sagen?“
    Eine scharfe, bittere Anklage. Talvas!
    Sie presste ihr Gesicht tiefer ins Heu, wünschte sich, völlig darin zu versinken. Sie war nicht schnell genug gewesen.
    „Wie lange wolltest du noch damit warten, Emmeline?“ Sie rührte sich nicht. „Bis das Kind erwachsen ist?“ Sein Zorn ließ ihn sich an eine Zeit erinnern, die er vergessen und begraben wollte.
    Langsam drehte sie sich um und richtete sich zum Sitzen auf. „Ich war im Begriff, es dir zu sagen.“
    „Du lügst! Du wolltest in die Normandie zurück, ohne es mich wissen zu lassen!“ Seine blauen Augen funkelten wütend.
    Tränen liefen ihr über die Wangen. „Das ist nicht wahr.“ Sie konnte nur seinen Schatten auf dem dunklen Heuboden erkennen und zuckte unter seiner Anklage zusammen. „Ich wollte es dir sagen, Talvas. Ich … ich musste nur Gewissheit haben.“
    Er verschränkte die Arme vor der Brust. Die juwelenbesetzte Schnalle seines Gürtels blitzte im Zwielicht. Ein bedrohlicher Riese. Er neigte den Kopf seitlich. „Gewissheit? Welche Gewissheit?“
    „Über meinen Entschluss, zu bleiben.“ Ihre leisen, ernst gesprochenen Worte weiteten ihm das Herz. „Meinen Entschluss, dich zu heiraten.“ Sie zog die Knie an und schlang die Arme darum. Ein goldener Zopf fiel ihr seidig glänzend nach vorne.
    Talvas ging vor ihr in die Knie. All die Bitterkeit, die sich in ihm während der letzten Tage aufgestaut hatte, fiel augenblicklich von ihm ab. Das Heu unter ihm raschelte, als er sich mit flachen Händen über die Schenkel strich. „Aber du willst mich nicht heiraten, Emmeline. Das hast du mir deutlich zu verstehen gegeben.“
    Ihre großen Augen leuchteten wie Sterne im schneeweißen Gesicht. „Es ist nicht mehr meine Entscheidung, Talvas.“
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